Der TV-Sender «NBC» hat den Leitfaden des US-Justizministeriums für Drohnenangriffe veröffentlicht. Das Papier erlaubt es der US-Armee überall, jederzeit und auch ohne Beleg für einen möglichen Anschlag gezielt Personen zu töten.
Wenn eine «unmittelbare Drohung eines Angriffs» vorliegt, dann ist eine «tödliche Operation» legal. Der Beleg für einen bevorstehenden spezifischen Angriff auf US-Personen oder -Interessen ist dabei nicht nötig. Es reicht, wenn das Ziel ein «funktionsfähiger Anführer von Al Kaida ist, der permanent Komplotte plant und keine Anzeichen macht, auszusteigen». Es macht auch keinen Unterschied, ob das Ziel ein Ausländer oder ein US-Bürger ist. Und die Regel gilt für jedes beliebige Land der Welt – ausser für die USA. Die Justiz muss nicht eingeschaltet werden. Es reicht, wenn entweder der Präsident oder ein hochrangiger, informierter Amtsträger entscheidet.
So steht es in einem «White Paper» des US-amerikanischen Justizministeriums. Die 16 Seiten sind die Zusammenfassung 50 Seiten langen Dokuments, das ursprünglich bereits im Jahr 2011 verfasst wurde. Am Montagabend ist es in Washington von dem TV-Sender NBC veröffentlicht worden. Es vermittelt erstmals einen Einblick in die rechtliche Grundlage für Drohnen-Angriffe. Die Obama-Spitze hat sich oft darauf berufen, ohne das Dokument jedoch vorzulegen. Inzwischen hat sich Obama bereit erklärt, das Dokument dem Kongress zur Verfügung zu stellen.
Drohnen-Angriffe haben sich vervielfacht
Seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama im Jahr 2009 haben die USA ihre Drohnen-Angriffe vervielfacht. Allein in Pakistan und Jemen hat das «Long War Journal» seit Januar 2009 mindestens 385 US-Drohnenangriffe erfasst – im Vergleich zu 46 während der acht Jahre von Präsident George W. Bush. Im Jahr 2011, wenige Monate nach dem Entstehen des White Papers, tötete ein Drohnenangriff erstmals einen US-Bürger – in der Person von Anwar al-Awlaki, der sich im Jemen aufhielt und als ein Führer von Al Kaida auf der arabischen Halbinsel galt.
Die Veröffentlichung des Dokuments geschah knapp zwei Tage vor der für Donnerstag vorgesehenen Anhörung von John Brennan im Senat. Obama hat seinen bisherigen Counter-Terror-Experten im Weissen Haus zum neuen CIA-Chef nominiert. Aus seinem Büro im Weissen Haus hat Brennan die Intensivierung der Drohneneinsätze koordiniert. In seiner vorausgegangenen Karriere war Brennan unter anderem CIA-Chef in Saudi-Arabien.
Unter Präsident George W. Bush diente er als hochrangiger Funktionär im Counter-Terrorismus-Programm des CIA. Er bestritt aber anschliessend, mit dem Folter-Programm einverstanden gewesen zu sein. Sein Programm von gezielten Tötungen mit Drohnen wird nicht nur von Menschenrechtlern kritisiert. Auch Ex-CIA-Chef Michael van Heyden und der pensionierte General Stanley McChrystal äussern Zweifel an der Effizienz von gezielten Tötungen, die längst nicht mehr nur die Spitze von Al Kaida treffen.