Mit der Weltpremiere des Zombie-Thrillers «The Girl with all The Gifts» des Briten Colm McCarthy ist am Mittwochabend auf der Piazza Grande das 69. Filmfestival von Locarno eröffnet worden. Bis 13. August werden im Tessin erneut über 150’000 Filmfans erwartet.
Publikumsmagnet sind die allabendlichen Vorstellungen auf der 8000 Plätze umfassenden Piazza Grande. Mit der Wahl von «The Girl with all The Gifts», vor dessen Gewaltszenen sensible Zuschauer vorgewarnt wurden, ging Festival-Direktor Carlo Chatrian gleich am Eröffnungsabend ein Risiko ein.
Der postapokalyptische Streifen spielt in einer Welt, in der die Menschen durch eine Krankheit zu Menschenfressern werden. Das hochintelligente Mädchen Melanie, das sich aus der Gefangenschaft in einer Militärbasis befreit, wird zur Hoffnungsträgerin in einer Odyssee durch ein zerstörtes Grossbritannien.
Schweizer Film gut vertreten
Insgesamt zeigt das Filmfestival in den kommenden 10 Tagen über 250 Filme, davon laufen 17 im internationalen Wettbewerb. Die Schweiz ist im Concorso internazionale mit zwei Filmen vertreten: «La idea de un lago» von Milagros Mumenthaler, die 2011 für «Abrir puertas y ventanas» den Goldenen Leoparden gewonnen hatte, sowie «Marija» von Michael Koch.
Ausserhalb des Wettbewerbs präsentieren weitere Schweizer Regisseure ihre neuesten Werke. Am Donnerstag läuft Frédéric Mermouds Drama «Moka» mit dem französischen Star Nathalie Baye in der Hauptrolle auf der Piazza Grande.
Bereits am Mittwochnachmittag wurde Jacob Bergers «Un juif pour l’exemple» gezeigt, nach dem gleichnamigen Tatsachenroman von Jacques Chessex über den Mord an einem Juden 1942 in Payerne. Bruno Ganz spielt den Viehhändler Arthur Bloch, der von fanatischen Frontisten erschlagen, zerstückelt und im Neuenburgersee versenkt wurde.
Berset lobt «enorme Bedeutung» Locarnos
Beim Eröffnungsempfang vom frühen Abend wies Bundesrat Alain Berset auf die «enorme kulturelle Bedeutung» des Festivals für die Schweiz hin. Zudem sei Locarno sowohl für die einheimische Filmszene wie für das «anspruchsvolle internationale Filmschaffen» unverzichtbar.
Am Sonntag kommt ausserhalb des Wettbewerbs zudem Nicolas Wadimoffs Dokfilm «Jean Ziegler – L’optimisme de la volonté» zur Uraufführung. Gleichentags präsentiert die Kritikerwoche die Langzeitdokumentation «Cahier africain» von Heidi Specogna.
In der Nachwuchsabteilung der Pardi di domani zeigt Timo von Gunten den Kurzfilm «La Femme et le TGV» mit Jane Birkin in der Hauptrolle. Das Festival widmet der britisch-französischen Schauspielerin und Sängerin eine Hommage mit mehreren ihrer Filme
Isabelle Huppert und Harvey Keitel
Weitere prominente Gäste am Lago Maggiore sind Harvey Keitel, Mario Adorf, Isabelle Huppert, Bulle Ogier, Maria Schrader und Barbara Sukowa. Regisseur Ken Loach wird seinen jüngsten, mit der Goldenen Palme von Cannes prämierten Film «I, Daniel Blake» persönlich auf der Piazza präsentieren.
Am Eröffnungsabend erhielt der US-Schauspieler Bill Pullman einen Excellence Award überreicht. Als Hommage an seine schauspielerische Karriere wurde am Nachmittag der David-Lynch-Thriller «Lost Highway» aus dem Jahre 1996 gezeigt.
Im Rahmen des kostenlosen Vorfestivals wurde am Dienstagabend auf der bis auf den letzten Platz gefüllten Piazza der Fernsehspielfilm «Gotthard» von Urs Egger uraufgeführt. Die SRG-Grossproduktion läuft im Dezember als Zweiteiler im Fernsehen.
Angesichts der Bedrohungslage in Europa hat das Festival seine Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Bei den Eintrittskontrollen kommen mobile Metalldetektoren zum Einsatz, und die Kinobesucher müssen ihre Taschen öffnen. Auch die Polizeipräsenz und Videoüberwachung auf der Piazza wurden verstärkt.