Lohnstudie prangert Missstände im Strassentransportgewerbe an

Im Transport- und Logistikgewerbe wehren sich die Gewerkschaften gegen Lohndrückerei. Unter den Strassentransporteuren herrsche ein brutaler Preiskampf auf dem Buckel der Angestellten. Krasse Tieflöhne trotz überlanger Arbeitszeiten seien weit verbreitet.

Ein Lastwagen verlässt bei Göschenen den Gotthardtunnel (Symbolbild) (Bild: sda)

Im Transport- und Logistikgewerbe wehren sich die Gewerkschaften gegen Lohndrückerei. Unter den Strassentransporteuren herrsche ein brutaler Preiskampf auf dem Buckel der Angestellten. Krasse Tieflöhne trotz überlanger Arbeitszeiten seien weit verbreitet.

Fast jeder zehnte Arbeitnehmende im Transportgewerbe erhält laut einer – von den Gewerkschaften Unia, syndicom und SEV in Auftrag gegebenen – Studie einen Lohn von weniger als 22 Franken pro Stunde. Die Betroffenen kommen so trotz einer Wochenarbeitszeit von 46 oder gar 48 Stunden auf einen Monatslohn, der nur knapp über 4000 Franken oder sogar noch darunter liegt.

Besonders betroffen seien Frauen und Angestellte im Stundenlohn, sagte Studienleiter Roman Graf von der Universität Genf am Freitag in Bern. Auch junge Angestellte unter dreissig Jahren sowie die über Fünfzigjährigen seien in dieser Gruppe der Mindestlohnbezüger übervertreten.

Gewerkschaften: Preiskrieg

Laut Vania Alleva, Geschäftsleitungsmitglied der Unia, hat die Auslagerung von Transportleistungen an immer neue spezialisierte Privatunternehmen in der Branche zu einem Preiskrieg geführt. Die Folge sei, dass der Druck auf die Löhne zunehme. Diese seien in den vergangenen zwanzig Jahren gar gesunken.

„Stundenlöhne von 16 Franken und weniger sind sogar bei den Branchenleadern üblich“, sagte Alleva. Als Beispiel nannte sie den Luxusgüterkonzern Gucci, der im Tessin eine Logistikzentrale betreibt. „Das sind unhaltbare Zustände.“

Fritz Gurtner, Leiter Sektor Logistik von syndicom, nannte die PostLogistics AG als weiteren Beweis dafür, dass Transportunternehmen mit besseren Arbeitsbedingungen angesichts des bestehenden Wildwuchses in der Branche zunehmend unter Druck gerieten. Innerhalb von zwei Jahren musste die Post-Tochter 250 ihrer 850 Stellen streichen.

GAV gefordert

Die Gewerkschaften verlangen einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) im Transportgewerbe, der sich an den heute schon für die Bauchauffeure gültigen Löhnen orientiert. „Wir fordern mindestens 5600 Franken für gelernte Lastwagenfahrer und mindestens 4500 Franken für Lieferwagenfahrer und ungelerntes Hilfspersonal“, sagte der Unia-Branchenverantwortliche Roland Schiesser.

Weil die Arbeitgeber einen solchen verweigern würden, müssten sie per Gesetz zur Zahlung eines anständigen Minimallohns gezwungen werden, sagte Alleva. Sie verwies dabei auf die gewerkschaftliche Mindestlohninitiative, die einen Stundenlohn von mindestens 22 Franken verlangt. Diese wird voraussichtlich im Jahr 2014 vors Volk kommen.

ASTAG schmettert Studie ab

Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG reagierte gelassen auf den Druck der Gewerkschaften. Die Studie beinhalte Zahlen von 2008 und komme deshalb „reichlich spät“ daher, sagte Direktor Michael Gehrken gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

„Gemäss unseren Zahlen verdiente ein Chauffeur im vergangenen Jahr in der Schweiz rund 5240 Franken“, sagte er. Der Nutzfahrzeugverband beziehe sich auf Zahlen der Vereinigung Les Routiers Suisses. Zudem arbeite der ASTAG mit der Vereinigung seit August an einer Weiterentwicklung der geltenden Landesvereinbarung.

Gehrken sagte, er könne nichts dafür, dass die Unia im Transportwesen nicht Fuss fassen könne. Die Gewerkschaft Unia war im Oktober vor Gericht in erster Instanz mit einer Klage zum Beitritt zur bestehenden Landesvereinbarung abgeblitzt.

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