Lollipop Chainsaw – Spielkritik

Das Sommerloch hat auch die Spielewelt fest im Griff – eine perfekte Chance für kleinere und etwas abgefahrenere Titel. Lollipop Chainsaw ist so ein Beispiel. Das Game entbehrt jeglicher Vernunft und politischer Korrektheit und ist gerade deshalb einen Blick über den Mainstream-Tellerrand hinaus wert… Wenn Kultspieldesigner Suda51 und Horrordrehbuchautor James Gunn gemeinsame Sache machen und ein Spiel […]

Eine Kettensäge mit Herzchen - ein Must Have für jede Zombiejägerin.

Das Sommerloch hat auch die Spielewelt fest im Griff – eine perfekte Chance für kleinere und etwas abgefahrenere Titel. Lollipop Chainsaw ist so ein Beispiel. Das Game entbehrt jeglicher Vernunft und politischer Korrektheit und ist gerade deshalb einen Blick über den Mainstream-Tellerrand hinaus wert…

Wenn Kultspieldesigner Suda51 und Horrordrehbuchautor James Gunn gemeinsame Sache machen und ein Spiel entwerfen, dann horchen Spielefans rund um den Globus auf. Dass das Ganze nicht unbedingt jugendfrei wird, liegt ebenfalls auf der Hand. Allein der Titel Lollipop Chainsaw lässt Böses erahnen…

Zombies sind derzeit äussert „en vogue“. Ob im Fernsehen (The Walking Dead) oder in Videogames (Dead Island, der Spezialmodus von Call of Duty: Black Ops oder das bald erscheinende ZombiU)- die Untoten machen die gesamte Unterhaltungswelt unsicher. Lollipop Chainsaw geht einen Schritt weiter und führt das Konzept der Zombiefilme gleich komplett ad absurdum- und ist dabei erst noch höchst unterhaltend.

Die Story liest sich wie ein B-Movie-Script: Die hübsche Juliet ist Cheerleaderin an der „San Romero High“ (Nomen est Omen- George Romero ist der Urvater der Zombie-Filme). Sie steht kurz vor einem grossen Date mit ihrem Freund Nick, als auf einmal die gesamte Schule von Zombies überrollt wird. Glücklicherweise ist Juliet – wie ihre gesamte Familie – auch noch professionelle Zombie-Killerin. Doch trotz hervorragenden Zombiejäger-Qualitäten kann sie Nick nicht retten. Er wird von einem Zombie gebissen. Gut, dass Juliet nebenbei auch noch über magische Kräfte verfügt und Nick kurzerhand verzaubert, ihm den Kopf absägt und ihn dann immer noch munter plaudernd an ihr Röckchen hängt.

 Auf ihrer Suche nach dem Ursprung des Zombie-Übels ist Nick stets an ihrer Seite (baumelnd) und kommentiert das Spielgeschehen munter mit zynischen Sprüchen. Überhaupt sind die Dialoge in Lollipop Chainsaw der Hauptgrund für die gute Unterhaltung. Ein Beispiel: Rettet Juliet eine Klassenkameradin vor einer Horde Zombies, so kündigt die gleich eine Facebook-Freundesanfrage an. Oder wenn ein Zombie-Oberboss von Juliet der Länge nach zersägt wird und laut jammernd schreit, wird dies von Juliet mit dem Satz „How lame, that’s so emo“ quittiert. Herrlich, wie hier Popkultur parodiert und persifliert wird.

Das Spiel selbst ist auf solidem Niveau: Ab und an nerven (in der getesteten PS3 Version zumindest) zu spät ladende Texturen und ärgerliches Tearing tritt auf. Dafür ist der Sound grossartig: Tolle Sprecherinnen und Sprecher, kernige Soundeffekte und coole Musik machen das Ganze zu einem akkustischen Vergnügen. 

Das Gameplay ist eher simpel: Juliet hat zwei Hauptangriffswaffen, die Kettensäge (schwerer Angriff) und ihre Pompons und Cheerleader-Moves (leichter Angriff). Die beiden lassen sich allerdings zu typisch japanischen Mega-Kombos verbinden. Diese ergeben dann mehr Medaillen (die spieleigene Belohnungs-Währung), mit welchen verschiedene Upgrades und Kostüme gekauft werden können. Bei denen gilt: Je weniger Stoff, desto teurer- fast wie in der realen Welt…

Schade ist einzig, dass die Steuerung bei weitem nicht so gelungen ist, wie das Drehbuch und das Spieldesign. Allzu oft hilft nur wildes Knopfdrücken, da auch die Kameraeinstellung nicht selten einen unglücklichen Blickwinkel bietet und stellenweise nicht mal manuell justierbar ist. Tröstend ist es, dass etwas geübte Spielerinnen und Spieler den Titel locker in sechs Sunden durchgespielt haben. Vom Spielgehalt bietet er nämlich nicht viel mehr.

Ja, Lollipop Chainsaw ist ordinär und brutal. Aber eben auch sehr witzig und höchst ironisch. Darum darf hier ruhig mal darüber hinweg gesehen werden, dass wir es mit einem veritablen Kettensägenmassaker und Unmengen von Blut und sexualisierter Darstellung junger Frauen zu tun haben. Umgekehrt könnt man das Spiel auch als feministisches Statement lesen: Eine starke Frau, die sich um Konventionen schert, im Alleingang die Welt rettet und deren Freund völlig hilf- und kopflos an ihrer Seite baumelt- willkommen in der Frauenpower des 21. Jahrhunderts. Oder auch nicht. Lollipop Chainsaw macht Spass -Political correctness hin oder her…

Lollipop Chainsaw, PS3 und XBOX360, PEGI: Ab 18 Jahren, ca. 89 Franken

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