Das Tessiner Ja zu einem Inländervorrang sorgte für ein internationales Echo. Auch der Präsident der Region Lombardei wetterte gegen die Anti-Grenzgänger-Massnahme. Am Mittwoch schlug er nun bei einem Treffen mit der Tessiner Regierung versöhnlichere Töne an.
Die Abstimmung vom 25. September habe keine unmittelbaren Konsequenzen für die italienischen Grenzgänger, sagte Roberto Maroni, Präsident der Region Lombardei, im Anschluss an ein Treffen in Bellinzona. Er sehe derzeit ausserdem keine «diskriminierenden Massnahmen» gegen die italienischen Arbeiter. «Wir verteidigen unsere Interessen, aber das Klima zwischen der Lombardei und dem Tessin ist gut», sagte Maroni.
Unmittelbar nach dem «Prima i nostri»-Votum hatte der Lega-Politiker noch gewettert, dass «zehntausenden lombardischen Grenzgängern» durch das Tessin der Zugang verwehrt werde. Von diesem Groll war am Mittwoch vor Medienvertretern nur noch wenig zu spüren.
Sonderwirtschaftszone als Gegenmassnahme
Allerdings äusserte Maroni erneut Sympathien für das bereits 2014 vorgestellte Projekt einer Sonderwirtschaftszone im italienischen Grenzgebiet. Unternehmen, die sich in einem Abstand von zwanzig Kilometern zur Schweizer Grenze ansiedeln, sollen steuerliche Vorteile bekommen, so Maroni. Für die neue Regelung bedarf es allerdings noch der Zustimmung durch das Regionalparlament.
Der Tessiner Regierungspräsident Paolo Beltraminelli (CVP) versuchte nach dem Tessiner Ja zu einem Inländervorrang die Wogen zu glätten. Grenzgänger würden im Tessin nicht diskriminiert, sagte Beltraminelli. Ganz im Gegenteil: Sie hätten durch niedrigere Löhne einen direkten Vorteil gegenüber der einheimischen Bevölkerung.
Zugleich beteuerte der Regierungspräsident, dass die Tessiner Wirtschaft die Grenzgänger brauche – «wir wollen sie nicht dämonisieren», so Beltraminelli.
Umsetzung weiter unklar
Das Tessiner Stimmvolk hatte sich Ende September mit 58 Prozent für einen Inländervorrang ausgesprochen. Er sieht vor, dass einheimische Personen im Falle gleicher Qualifikation bei der Stellenvergabe gegenüber einer Person ohne Wohnsitz in der Schweiz bevorzugt werden müssen. Grenzgänger sollen auch weiterhin im Tessin Beschäftigung finden, allerdings nur in jenen Wirtschaftszweigen, in denen es einen «wirklichen Bedarf» gebe und keine einheimischen Personen ersetzt werden.
Staats- und Europarechtsprofessoren wie Giovanni Biaggini von der Universität Zürich hatten schon im Vorfeld der Abstimmung die praktische Umsetzbarkeit der Initiative infrage gestellt.
Bislang konnten sich die Tessiner Regierung und die Parlamentsvertreter noch nicht darauf einigen, wie überhaupt mit der Ausarbeitung eines Anwendungsgesetzes begonnen werden soll. Anfang November soll nun der Tessiner Grosse Rat darüber abstimmen, ob sich mit dieser Frage künftig eine Spezialkommission beschäftigen soll, wie es die CVP vorgeschlagen hatte.
Die Tessiner SVP, aus deren Feder die Initiative kam, hatte nach der Abstimmung verlauten lassen, dass bereits bis Ende des Jahres ein Vorschlag für ein Anwendungsgesetz vorliegen soll.