Lucien Favre sorgt mit Nice für eine frische Brise aus dem Süden

Selbst bei einer Niederlage am Mittwoch in Bordeaux wird Nice unter Trainer Lucien Favre das Herbstpensum der Ligue 1 im 1. Rang abschliessen. Fachleute bewundern die Leistung – und wundern sich.

REFILE - CORRECTING TYPOFootball Soccer - Nice v Toulouse - French Ligue 1 - Allianz Riviera stadium, 4/12/16. Nice's coach Lucien Favre gestures before the match against Toulouse. REUTERS/Eric Gaillard

(Bild: Reuters/ERIC GAILLARD)

Selbst bei einer Niederlage am Mittwoch in Bordeaux wird Nice unter Trainer Lucien Favre das Herbstpensum der Ligue 1 im 1. Rang abschliessen. Fachleute bewundern die Leistung – und wundern sich.

Ein neuerliches Solo von Paris Saint-Germain schien vor der Saison in Frankreich weitaus wahrscheinlicher zu sein als die Tabellenführung des OGC Nice nach 19 Runden mit mindestens vier Punkten Vorsprung auf PSG.

Fachleute reiben sich die Augen und finden dennoch ein paar Erklärungen für den unerwarteten Höhenflug der Südfranzosen. Rolland Courbis, ehemaliger Trainer von Olympique Marseille und Montpellier, sieht Nice‘ Vorteile gegenüber den ärgsten Konkurrenten Monaco und Paris Saint-Germain im Umgang mit den Kräften: «Nice hat die Europa League nicht mehr am Hals, den Ligacup auch nicht. Wenn es zudem ohne gravierende Verletzungen durchkommt, wieso soll es dann nicht Meister werden?»

Courbis, der im April 2012 einen Monat lang bei Christian Constantin im Wallis weilte und wegen fehlender Papiere das vorgesehene Amt des Sittener Cheftrainers nie antreten konnte, ist im gleichen Zusammenhang davon überzeugt, dass PSG und der derzeitige Zweite Monaco im Frühling in der Champions League einiges an Kraft verlieren werden. «Nice hat nur noch die Meisterschaft und den Cup. Das ist ein Vorteil.»

Pascal Dupraz, in Toulouse Trainer des Schweizer Nationalverteidigers François Moubandje, stellt einen naheliegenden Vergleich an: «Nice erinnert mich stark daran, was ich in der letzten Saison bei Leicester City gesehen habe. In der Mannschaft sind Dynamik, Frische, eine gute technische Grundlage und Spieler, die Führungsrollen übernehmen können. Man kann spüren, dass Nice in der Entwicklung einen Sprung gemacht hat.»

Schon zwei Mal Wintermeister

Dupraz‘ Vergleich mit Leicester hat auch deshalb seine Berechtigung, weil die englischen Topvereine in der letzten Saison unter ihrem Leistungsvermögen blieben – wie bis anhin PSG in Frankreich. Dupraz glaubt, dass die Zahl von vier Meisterschaftsniederlagen der Pariser in diesem Herbst ungewöhnlich war. Nice dagegen verlor nur einmal (0:1 in Caen) und errang andererseits 8 von 13 Siegen mit einem Tor Unterschied. Dupraz glaubt, dass die Spieler von Nice sehr gut mit delikaten Situationen in den Spielen umgehen können.“

Rolland Courbis gibt nur zu bedenken, dass Younès Belhanda und Jean-Michaël Seri, zwei wichtige Spieler im Kader von Lucien Favre, ab Mitte Januar drei Wochen lang am Afrika-Cup spielen werden und dass Valentin Eysseric, Dalbert, Ricardo Pereira sowie Paul Baysse verletzt oder angeschlagen sind. Zudem könnte Innenverteidiger Dante mit einer Knieverletzung einige Zeit ausfallen. Entgegen seinen Gepflogenheiten wurde Lucien Favre zuletzt recht laut, als er sich zur Spielplangestaltung äusserte: «Für uns ist es eine Zerreissprobe. Ich weiss nicht, wer das alles so auf die Beine gestellt hat. Aber zehn Spiele in 31 Tagen, das kann man nicht verkraften.»

Klubpräsident Jean-Pierre Rivère mag es nicht, wenn man jetzt schon lobt. «Am schlimmsten wäre es, wenn wir meinen würden, dass wir schon irgendetwas erreicht hätten.» Rivère befürchtet, dass einige Spieler noch zu wenig Erfahrung haben und dass sie ins Grübeln kommen könnten. Auch Courbis schraubt die Erwartungen nicht hoch hinauf. «Es wäre schon ein aussergewöhnlicher Erfolg, wenn die Mannschaft die Meisterschaft unter den ersten drei beenden könnte.»

Falls es nicht zum Meistertitel reicht, werden sich Nostalgiker im Klub an die Siebzigerjahre erinnern. Nice wurde damals zweimal Wintermeister – und beendete die Saison beide Male auf dem 2. Platz. Das eine Mal hinter Nantes, das andere Mal hinter Saint-Etienne. Seine vier Meistertitel errang Nice zwischen 1951 und 1959.

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