Wenn am Sonntag mit dem GP von Katar auf dem Wüstenkurs in Losail die Moto2-Saison beginnt, gehören die Schweizer Piloten zu den Mitfavoriten. Aber nur einer spricht öffentlich vom Titel: Tom Lüthi.
Seit der Emmentaler im Jahr 2005 Weltmeister in der 125er-Kategorie geworden ist und dafür mit dem Titel Sportler des Jahres (vor Roger Federer) geadelt wurde, galt er Saison für Saison als aussichtsreicher Titel-Kandidat. Weltmeister wurden aber immer andere, Lüthi selber reichte es nur noch dreimal zu WM-Rang 4 (2010/12/14). Dieses Jahr soll sich das endlich ändern. «Ja, ich greife an und will den WM-Titel», sagt der Routinier mit 216 WM-Rennen, von denen er 10 gewonnen hat und 41 Mal aufs Podest gefahren ist.
Dass er mit so viel Selbstvertrauen und so offen über seine Ziele redet, hat seine Gründe. Einer davon ist der neue Cheftechniker. Mit Gilles Bigot, der zuvor Dominique Aegerter betreute und Lüthis langjährigen Vertrauten Alfred Willeke ablöste, versteht er sich ausgezeichnet. «Wir arbeiten auf sehr hohem Niveau, die Änderungen, die wir vornehmen, zeigen meistens die gewünschte Wirkung.»
Das zahlte sich in den offiziellen Testfahrten sowohl in Jerez de la Frontera als auch am vergangenen Wochenende in Losail aus. Da war Lüthi mit der Kalex an fast allen Tagen bei den Schnellsten. «Es sind aber nicht nur die schnellen Zeiten, die mich zuversichtlich stimmen, sondern auch die Konstanz, die ich erreichte», erklärte Lüthi, der sich vor dem am Donnerstag beginnenden Training drei Tage lang mit Kite-Surfen erholte.
Fragezeichen um Dominique Aegerter
Ganz anders sind die Vorzeichen bei Lüthis Teamkollegen Dominique Aegerter. Nach Bigots Wechsel kümmert sich nun der Franzose Florian Chiffoleau um seine Kalex-Maschine. «Wir sind auf gutem Weg, mit jedem Training verstehen wir uns besser», erklärt der 25-jährige Rohrbacher. Sein Steigerungslauf in der WM von Rang 15 (2010) auf Rang 5 (2014) wurde in der letzten Saison durch einen nicht selbst verschuldeten schweren Sturz im Grand Prix von Aragon jäh gestoppt.
Von den schweren Verletzungen (Hand- und Rippenbrüche) hat sich Aegerter gut und «zu hundert Prozent» erholt, doch mit seinen Testresultaten kann er nicht zufrieden sein. «Es ist wie verhext. Ich verlor bis zu zwei Sekunden pro Runde auf die Bestzeit und weiss nicht warum. Daneben erreichte ich aber Zeiten, die ganz nahe an der Spitze waren. Und auch da wussten wir nicht warum.»
Dieser Fakt stimmt den Sonnyboy im Hinblick auf den Saisonstart trotzdem zuversichtlich, auch wenn der Wüstenkurs in Losail trotz eines 4. Ranges 2013 nicht zu seinen Lieblingsstrecken gehört. «Wahrscheinlich liegt es einfach an mir. Ich darf mich auf dem Motorrad nicht verkrampfen.»
Fred Corminboeuf, Chef und Besitzer des Teams der beiden Schweizer Topfahrer, zu dem auch der 24-jährige Robin Mulhauser gehört, erwartet, dass seine Schützlinge einfach «in jedem Rennen um die Podestplätze mitfahren können. Ich rede nicht vom WM-Titel, aber wenn beide immer vorne dabei sind, ist die Chance gross, dass es am Ende der Saison doch um die Wurst geht.» Zuversichtlich stimmen ihn die Rochaden im Technikerteam. «Seit 2010 haben beide immer mit den gleichen Leuten gearbeitet. Ich glaube, wir haben mit dem frischen Wind auf beiden Seiten die richtigen Entscheide getroffen.»
Mulhauser und Raffin müssen punkten
Im 30-köpfigen Fahrerfeld in der Moto2, in dem 24 Fahrer eine Kalex pilotieren (neben 3 Speed Up, 2 Tech3, 1 Suter), sind noch zwei Schweizer engagiert: Von Mulhauser werden in seinem dritten Jahr mehr WM-Punkte als bisher (1) erwartet, und der 19-jährige Zürcher Jesko Raffin muss nach seiner «Rookie»-Saison ohne WM-Punkte sein Talent ebenfalls in Form von WM-Punkten bestätigen. Mit dem Spanier Luis Salom hat Raffin einen neuen Teamkollegen erhalten (beide werden vom Schweizer Marco Rodrigo gemanagt). Aber auch Salom muss nach erfolgreichen Moto3-Jahren (WM-Zweiter 2012, WM-Dritter 2013) aufpassen, dass er nicht den Stempel des «ewigen Talents» aufgedrückt bekommt.
Der 26-jährige Zürcher Oberländer Randy Krummenacher hat sich nach neun Jahren und 145 GP-Rennen verabschiedet und startete erfolgreich eine neue Karriere: Nach zwei Rennen in der Supersport-WM (Sieg und Rang 4) führt er die Gesamtwertung an.
Weltmeister wechselte nicht in die Königsklasse
In den meisten Fällen steigt der amtierende Weltmeister in der Moto2 im Folgejahr in die Königsklasse MotoGP auf. Nicht aber im Fall von Johann Zarco. Der 25-jährige Franzose plant den Schritt erst für 2017. So überlegen wie 2015 mit 14 Podestplätzen in 18 Rennen (8 Siege) dürfte Zarco in diesem Jahr nicht vorne weg fahren. Neben den Schweizern Lüthi und Aegerter werden ihm bestimmt auch der Brite Sam Lowes, der Spanier Alex Rins sowie der Deutsche Jonas Folger das Leben schwer machen.