Dolce Vita plus. Mit dem Kunstraum «Lugano Arte e Cultura» will die Stadt ein Kulturzentrum mit europaweiter Ausstrahlung werden.
Man muss einmal im Jahr durch den Gotthard. Der Körper mag das. Wenn man in Lugano aussteigt, haben die Wälder an den steilen Hängen eine andere Farbe, das Blau vom See ist satter, wie wenn man eine polarisierte Sonnenbrille trägt. Anscheinend sind weniger Partikel in der Luft, die stören. Oder die richtigen. In Lugano den Bahnsteig verlassen: eine eigene Art zu schweben.
Und es kommt noch besser. Nachdem man den Bahnhof hinter sich gelassen hat, braucht man nur noch abwärts zu gehen. Man träufelt in die Altstadt hinein. Lugano tut so, als gäbe es im Leben keinen Widerstand. Es ist bei den meisten Ankünften im Süden so, aber in Lugano prangt die Frage an jeder Fassade: Warum lebst du nicht hier, sondern woanders?
Man kommt dann schon wieder auf die Welt, aber bis dahin ist es noch eine Weile. Natürlich ist Lugano furchtbar aufgehübscht. Kein Haus ohne Boutique, und viele davon sind spiessig. Doch dafür hat die Stadt Glamour. Während Locarno in seiner Ausgestorbenheit brütet und auf sein grosses Festival wartet, ist man in Lugano schon auf halber Strecke nach Milano. Die Schuhabsätze sind dünner, die Leopardendresses zahlreicher und die Hunde kleiner. Nun noch Cafè im «Olimpia» auf der Piazza Riforma, und das arme Nordseelchen braucht nichts weiter.
Ein Kulturort, den man ansteuert
Oder doch. Denn Lugano will es wissen. Direkt am See entsteht ein gewaltiges Kunstzentrum aus grünem Stein, das Lugano Arte e Cultura. Das LAC will «seinen Platz im kulturellen Raum Europa einnehmen», wie es in einer hauseigenen Publikation heisst, und man sei sich bewusst, was das bedeutet. Lugano soll ein Kulturort werden, den man ansteuert. Dafür bringt das Haus eine Konzert- und Theaterbühne mit stattlichen Ausstellungssräumen unter ein Dach, gruppiert um eine haushohe Eingangshalle. Über die Architektur von Ivano Gianola lässt sich streiten. Der Schreiber dieser Zeilen sieht eher viele Räume statt Raum, doch der Anspruch des Hauses ist nicht zu übersehen.
Bis das LAC voraussichtlich im nächsten Jahr eröffnet, fährt Lugano bereits mit sehenswerten Ausstellungen auf. Das Museo d’Arte (welches mit dem Museo Cantonale d’Arte im LAC zusammenfliessen wird) zeigt eine Ausstellung über den elsässischen Künstler Hans Arp, den wiederholte Aufenthalte mit dem Tessin verbinden. Das Museum stellt den Wegbereiter von Dadaismus und Surrealismus in Wechselwirkung mit anderen Künstlern dar, vor allem mit dem italienischen Maler Osvaldo Licini, aber auch mit Sophie Taeuber, Paul Klee und anderen. Die Bezüge sind teilweise vielleicht etwas gesucht, teilweise aber auch eindrücklich.
Noch reizvoller ist die Sammlung von Giancarlo und Danna Olgiati. In einem unscheinbaren Untergeschoss gegenüber dem LAC, genannt Kunstraum -1, reihen sich die Werke hochkarätiger Künstler von 1960 bis heute: Wolfgang Tillmans, Michelangelo Pistoletto, Roni Horn und so weiter.
Leider ist die Sammlung Olgiati erst ab dem 21. September wieder zugänglich, im Augenblick wird sie aufgefrischt. Doch im frühen Herbst ist es für eine Luganer Seelenkur nicht zu spät.
- Cafè nehmen: Im ehrwürdigen «Olimpia» an der Piazza Riforma.
- Flanieren: In der eleganten Via Nassa. Der Chic ist echt.
- Anschauen: Museo d’Arte, Sammlung Giancarlo und Danna Olgiati.