Der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger greift in die Debatte um die rekordhohen Krankenkassenprämien in Basel-Stadt ein. In seiner Replik skizziert er seinen Plan, die Kosten zu senken.
Jedes Jahr nach den Sommerferien werden die Krankenkassen-Prämien heiss diskutiert. Zu Recht, denn viele Baslerinnen und Basler sorgen sich um steigende Prämien. Vor allem diejenigen, die vom Kanton keine oder nur geringe Krankenkassenverbilligungen bekommen und die jährlich steigenden Prämien selbst berappen müssen.
Als Gesundheitsdirektor verstehe und teile ich diese Sorge, und die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen ist eine der ganz grossen Aufgaben, die uns im Gesundheitsdepartement seit Jahren beschäftigt. Anlass zur Panik besteht jedoch nicht. Gefragt sind eine nüchterne Analyse und ein sorgfältiges, langfristig zielführendes Vorgehen.
Sinkende Ausgaben
Die Daten des Bundesamtes für Gesundheit zeigen, dass die Kosten der Obligatorischen Kranken- und Pflegeversicherung (OKP) in unserem Kanton zwar sehr hoch sind, in den vergangenen zehn Jahren aber etwas weniger stark angestiegen sind als im schweizerischen Durchschnitt. Die Kantonsausgaben für Gesundheit (Zweckgebundenes Betriebsergebnis des Gesundheitsdepartements vor Abschreibungen) sind sogar leicht zurück gegangen seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung, nämlich von 549 Millionen Franken im Jahr 2012 auf 533 Millionen Franken im Budget für 2016.
In absoluten Zahlen sind die Kosten allerdings zugegebenermassen hoch – und zwar seit Jahrzehnten. Das hat strukturelle Gründe: Wir sind ein Stadt-Kanton mit einer hervorragenden und allen zugänglichen Gesundheitsversorgung. Den hohen Kosten stehen ausgezeichnete Leistungen gegenüber, auf welche in einer Stadt wie Basel auch besonders viele Menschen angewiesen sind – sei dies aus Alters- oder aus sozialen Gründen: Wir haben einen überdurchschnittlich hohen Anteil von über 64-Jährigen und über 80-Jährigen, von Ein-Personen-Haushalten und von sozial benachteiligten Einwohnerinnen und Einwohnern.
Wer also die Kosten senken will, muss stets auch die Leistungen im Auge behalten. Haurück-Übungen sind vor diesem Hintergrund gefährlich. Stattdessen braucht es eine langfristig orientierte, sorgfältige und regional abgestimmte Gesundheitspolitik. Eckpunkte daraus sollen im Folgenden etwas näher ausgeführt werden.
Regionalisierung der Spitalpolitik
Die Spitalplanung muss regional abgestimmt werden, damit eine wirksame Steuerung überhaupt möglich ist und nicht durch Ausweichbewegungen auf den Nachbarkanton umgangen wird. Zu diesem Zweck erarbeiten wir mit dem Partnerkanton Basel-Landschaft derzeit Grundsätze für eine koordinierte Spitalplanung.
«Aufgrund der höheren Transparenz und des gesamtschweizerischen Wettbewerbs rechne ich mit einem steigenden Druck auf die Spitäler.»
Die Vergabe von Leistungsaufträgen an die Spitäler hat nach objektiven Leistungskriterien zu erfolgen, und die Tarife sind an einem schweizerischen Benchmark zu messen. Beides wird in Basel-Stadt heute bereits gemacht – für öffentliche Anbieter gleichermassen wie für private. Aufgrund der höheren Transparenz und des gesamtschweizerischen Wettbewerbs rechne ich mit einem steigenden Druck auf die Spitäler; bereits sind sinkende Tarife und ein gewisser Konsolidierungsdruck zu beobachten.
Steuerzahler stärker belastet
Die Kantone als Eigner grosser Spitäler sollten in diesem Prozess vorangehen: Unispital und Kantonsspital Baselland sollen ihre Kapazitäten besser bündeln und effizienter werden. Zu diesem Zweck werden derzeit Vorschläge für eine gemeinsame Spitalgruppe ausgearbeitet. Konkretere Aussagen zu den Inhalten und zum weiteren Prozess sind noch vor den Herbstferien vorgesehen.
Stärker als bisher sollen die neuen Möglichkeiten der ambulanten Medizin genutzt werden. Dazu sind neben Korrekturen im Tarifsystem effizientere Spitalstrukturen nötig. Die gemeinsame Spitalgruppe von USB und KSBL soll auch dazu einen Beitrag leisten.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine Basler Spezialität: Der Kantonsanteil für stationäre Spitalbehandlungen liegt im Kanton Basel-Stadt bei 56 Prozent und damit über den 55 Prozent gemäss KVG. Damit entlastet Basel-Stadt die Krankenversicherten stärker als die übrigen Kantone. Dazu sollten wir auch weiterhin bereit sein.
Ärzte unter Kontrolle bringen
Während die Kantone im Spitalwesen über Instrumente mit einer gewissen Steuerungskraft verfügen, haben wir gegenüber Ärztinnen und Ärzten in der freien Praxis heute nur minimale Planungskompetenzen. So können die Kantone für die Erteilung einer Praxisbewilligung eine dreijährige Berufstätigkeit bei einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsinstitution verlangen. Das tun wir. Es reicht aber nicht, um Überkapazitäten zu verhindern. Als Mitglied des GDK-Vorstands setze ich mich dafür ein, dass die Kantone weiterreichende Steuerungskompetenzen bekommen.
«Es geht auch darum, die Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung von uns allen als Patienten und Versicherte zu stärken.»
Kostengünstige Versorgungsmodelle wie Hausarztmedizin, HMO oder Telemedizin sollten in Zukunft eine stärkere Rolle spielen können. Zu diesem Zweck unterstützen wir die Praxisausbildung der Hausärztinnen und Hausärzte finanziell und erteilen ihnen rascher (bereits nach einem Jahr) eine Praxisbewilligung. Zudem ist zu prüfen, welche Anreize zu Gunsten dieser integrierten Modelle bundesrechtlich zulässig und wirksam sein könnten. Hier geht es auch darum, die Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung von uns allen als Patienten und Versicherte zu stärken.
E-Health auf dem Vormarsch
Anzufügen bleibt in diesem Zusammenhang, dass das Gesundheitswesen in Sachen Vernetzung und Digitalisierung einen Nachholbedarf aufweist: E-Health könnte viel zu mehr Patientenfreundlichkeit, Effizienz und Sicherheit beitragen. Wir arbeiten deshalb mit Hochdruck an einer (vorzeitigen) Einführung von elektronischen Patientendossiers in Basel-Stadt – auch dies in enger Kooperation mit Baselland.
Die genannten Punkte sind als langfristige und nachhaltige gesundheitspolitische Agenda zu sehen, die in Zusammenarbeit mit dem Nachbarkanton Basel-Landschaft und in Partnerschaft mit den Akteuren aus sämtlichen Gesundheitsberufen umgesetzt werden soll. Dies ist ein schrittweiser Prozess, der auf Sorgfalt, Sachlichkeit und Geduld aller Beteiligten angewiesen ist.
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Lesen Sie die ganze Debatte um die hohen Gesundheitskosten in Basel-Stadt nach:
1. Basel hat die höchsten Gesundheitskosten der Schweiz – und unternimmt nichts dagegen
2. Kommentar: «Die Basler Politik hat kapituliert»
3. Replik von SP-Grossrat Pascal Pfister
4. Replik von CVP-Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger