Nach jahrelangem Widerstand beugt sich Luxemburg dem europäischen Druck und lockert sein Bankgeheimnis. Ab 1. Januar 2015 werde sich das Land an der automatischen Weitergabe von Informationen zu Zinserträgen beteiligen, kündigte Regierungschef Jean-Claude Juncker am Mittwoch an.
«Wir müssen uns am Kampf gegen Geldwäsche und Steuerbetrug beteiligen», sagte Juncker im Parlament des Grossherzogtums. Die internationalen Entwicklungen steuerten «auf den automatischen Informationsaustausch hin». Nachdem das Land sein Bankgeheimnis jahrelang verteidigt hatte, nannte Juncker Steuerbetrug nun einen Akt «der nationalen und internationalen Unsolidarität».
Vor allem der Druck der USA sei für die Bereitschaft zum automatischen Datenaustausch verantwortlich, sagte Juncker und spielte damit auf das FATCA-Abkommen an.
Die USA hätten eine «radikale Position» bezogen, indem sie den Datenaustausch zur Vorbedingung für Finanzbeziehungen machten. Luxemburg könne den Europäern nicht verweigern, was es den Amerikanern in bilateralen Verträgen geben müsse, sagte er weiter.
Gemäss einer Übergangsregelung dürfen Luxemburg und Österreich als einzige EU-Mitgliedstaaten eine anonyme Quellensteuer von 35 Prozent erheben. In den anderen EU-Staaten gilt der automatische Informationsaustausch über Zinserträge zwischen den Steuerbehörden der EU-Mitgliedstaaten.
Verhandlungsmandat mit Schweiz rückt in Griffnähe
«Wir begrüssen die Erklärung Luxemburgs wärmstens», sagte die Sprecherin von EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta – und richtete den Scheinwerfer gleich auf Wien: «Österreich ist der letzte Mitgliedsstaat, der sich dem automatischen Informationsaustausch nicht anschliesst.»
Angesprochen auf ein Mandat mit der Schweiz über eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des bestehenden Zinsbesteuerungsabkommens gab sich die Sprecherin zuversichtlich, dass ein solches nun von den Mitgliedstaaten bald verabschiedet werden kann. Über den konkreten Inhalt des Mandates müssten diese jedoch entscheiden, sagte die Sprecherin.
Damit die EU-Kommission mit der Schweiz und weiteren Drittstaaten Verhandlungen aufnehmen kann, braucht sie ein Mandat der EU-Mitgliedstaaten.
Die aktuellen Diskussionen um den automatischen Informationsaustausch ins Rollen gebracht hatte eine Äusserung des luxemburgischen Finanzminister Luc Frieden in der Sonntagspresse. Er sagte, sein Land werde den automatischen Informationsaustausch nicht mehr strikte ablehnen.
Kurz darauf signalisierte dann auch Wien Kompromissbereitschaft. Im Gegensatz zu Luxemburg will sich der österreichische Kanzler Werner Faymann noch auf keinen fixen Zeitpunkt festlegen. «Die Richtung stimmt, in die es geht, der Zeitplan ist aber eine Frage der Verhandlungen», hiess es am Mittwoch aus dem Kanzleramt. Die konservative Finanzministerin Maria Fekter drückt allerdings auf die Bremse.
Experten uneins
In der Schweiz sind sich Experten uneins, inwiefern die Entwicklungen in der EU Konsequenzen für das Schweizer Bankgeheimnis haben werden.
«Viele Schweizer Finanzinstitute haben die Produkte für ihre Kunden bereits so gestaltet, dass die EU-Zinssteuer häufig kein Problem ist», sagte Jürg Birri, Partner bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma KPMG, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Denn bei der aktuellen Diskussion geht es lediglich um die Besteuerung von Zinsen.
Für den Genfer Steueranwalt Philippe Kenel bedeutet die Entscheidung Luxemburgs hingegen das Ende des Bankgeheimnisses in Europa und in der Schweiz. «Das ist die Niederlage der Strategie der Schweizer Bankwelt», schätzt der Experte im Gespräch mit der sda die Lage ein.
Die Schweiz hätte schon 2009 und 2010 über einen automatischen Informationsaustausch verhandeln sollen, sagte Kenel. «Man hat Zeit verloren.» Der Druck werde steigen, und die Schweiz könne nicht mehr nein sagen.
Widmer-Schlumpf war vorbereitet
Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagte am Dienstag in einem für die Sendung «Rundschau» von SRF 1 aufgezeichneten und in der «Tagesschau» ausgestrahlten Zitat, sie sei auf Luxemburgs Schritt vorbereitet gewesen. Diese Diskussion habe ihr Amtskollege Luc Frieden bereits vorher geführt und angestossen.
Das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) liess verlauten, die Schweiz begrüsse grundsätzlich alle Schritte, die das Ziel hätten, eine faire Besteuerung sicherzustellen.
«Die Schweiz hat sich bereits seit langem bereit erklärt, mit der EU über eine Ausweitung des Zinsbesteuerungsabkommens zu diskutieren, um Schlupflöcher zu stopfen», schrieb das SIF.