Machine Gun Preacher

(Bild: Film-Produktion) Die Nacht ist dunkel. Die Hütten schief. Die Luft brennt. Schwarze Schatten fliehen vor Mündungsfeuer. Die Schatten sind klein. Sie fallen. Es sind Kinderschatten. In einer Sprache, die wir verstehen, ohne, dass sie uns jemand übersetzt, schreit eine Mutter um Hilfe. Jetzt, ganz nah, erkennen wir ein Kindergesicht.  Eine Keule wird dem Kind […]

(Bild: Film-Produktion)

Die Nacht ist dunkel. Die Hütten schief. Die Luft brennt. Schwarze Schatten fliehen vor Mündungsfeuer. Die Schatten sind klein. Sie fallen. Es sind Kinderschatten. In einer Sprache, die wir verstehen, ohne, dass sie uns jemand übersetzt, schreit eine Mutter um Hilfe. Jetzt, ganz nah, erkennen wir ein Kindergesicht.  Eine Keule wird dem Kind in die Hand gedrückt. Es soll zuschlagen. Eine Frau nickt ihm mit weitaufgerissenen Augen zu. Ja! Schlag zu. Du kannst damit das Leben deines Bruders retten. Wir sollen kein Wort verstehen. Die Sätze der Mutter sind nicht untertitelt. Ehe wir uns in den Kino-Sitz haben fallen lassen, befinden wir uns im freien Fall der Gefühle: Am Ende der Spirale der Gewalt, fängt der Film erst an. 

Die ersten hellen Bilder folgen. Sie versprechen Ordnung. Hellgrün liegt der lange Korridor eines US-Gefängnisses vor uns: Wir sind im Kunstlicht eines Staatsgefängnisses. Dort wird einer entlassen. Sam Childers erhält seine Habseligkeiten. Er kocht vor Wut. Fuck you! Dann ist der Böse Bube draussen. Aber nicht in Freiheit. Das Gefängnis bleibt um ihn herum: Es ist seine Wut auf alles. 

Wir sind jetzt am Anfang der Gewalt-Spirale. Am anderen Ende des Globus. Sam Childers ist ein Junkie. Er ist der Beschaffer. Er holt sich Stoff und Knete mit der Kanone. Er kennt für jedes Probleme eine Lösung: Seine Waffe. 

Sam Childers gläubige Frau geht auf  Distanz. Er arbeitet sich hoch. Aber bleibt nicht zu Hause. Er zieht nach Afrika. Ehe er selber genötigt wird, sich als Täter vor Gott zu stellen, ja, Gott zu verkünden, geht er dorthin, wo die wirklich Bösen Jungs töten: Vom unfassbar Bösen geläutert kehrt er aus dem Sudan zurück, als ein Mann Gottes. Ohne Dornenkrone. Aber mit Kanone. 

Marc Foster lässt seinem Fiction-Helden  den Namen des wirklichen Sam Childers. Sam ist gegen Gewalt. Notfalls mit Gewalt. Als er bereits ein Waisenhaus im Sudan gebaut hat, und in seiner Rockerkneipe in Pennsilvania von den harten Jungs dafür gehänselt wir, dass er kleine Nigger füttert – Was tut er? Er knallt dem Rassisten eins in die Fresse. Für diesen antirasssistischen Uppercut kassiert er erneut Knast. Dort wird, wie nebenbei, Gewalt in Rechtssicherheit transferiert: Der Antirassist muss bestraft werden, wenn er dem Rassisten eine reinbrettert. Hier herrscht Staats-Gewalt – nicht Gewalt.

Szenen wie diese machen den Film intelligenter, als die häufige Knallerei vermuten lässt: Sie setzen unsere Muster ausser Kraft. Wenn Childers, am Tiefpunkt, unten im Sudan, einem misshandelten Kind erklärt, wie hoffnungslos es ist, ihm helfen zu wollen, zucken wir zusammen: Der Kleine versteht doch kein Wort! Das sagt Childers nach der einseitigen Aussprache auch. Und hat damit Unrecht. Denn als der Kleine später in der Geschichte mit ihm Leben rettet, verstehen wir, dass er ihn doch verstanden hat. Gewalt ist eine andere Art, als Nächstenliebe, sich ohne Worte verständlich zu machen. 

Es ist kein Film für zarte Seelen. Es ist wie immer bei Forster eine meisterhafte Bilderwelt. Dass sie aus Gewalt besteht, mag abstossen. Trotzdem stellt sich der Film einem paradoxen Diskurs. Und verschliesst uns die Augen nicht. Was da unten in Afrika geschieht ist keine Entschuldigung, Hilfe zu unterlassen. Nach zwei Stunden zwischen Wohlstand und Afrika wird Gerhard Butlers Childers ein Prediger auf dem Holzweg. Ein Prediger, der keine Worte verlieren wollte.  

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