Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bei der Parlamentswahl eine klare Mehrheit für seine Politik gewonnen. Sein Lager schnitt aber deutlich schwächer ab als erwartet. Die Schweiz-Franzosen wählten den Kandidaten der Macron-Partei.
Die Franzosen in der Schweiz und in Liechtenstein haben Joachim Son-Forget von der Partei La République en Marche (REM) als ihren Repräsentanten in die Nationalversammlung gewählt. Das gab die Schweizer REM-Sektion nach der Stichwahl am Sonntagabend bekannt.
Um 21.00 Uhr hatte Son-Forget bereits über 75 Prozent der Stimmen in 28 von 53 Wahllokalen erhalten. Der 34-Jährige hat südkoreanische Wurzeln, ist Arzt am Lausanner Universitätsspital und lebt in Genf. Er trat in der Stichwahl gegen Amtsinhaberin Claudine Schmid von den Republikanern an. Schon den ersten Wahlgang hatte er vor zwei Wochen mit 63,55 Prozent der Stimmen gewonnen.
«Ich bin sehr glücklich mit diesem Resultat, ich fühle bereits die Bedeutung der Verantwortung dieser Aufgabe und werde mich ab morgen an die Arbeit machen», sagte der Kandidat der Partei von Präsident Emmanuel Macron gegenüber der Nachrichtenagentur sda.
Absolute Mehrheit klar erreicht
In der entscheidenden Abstimmungsrunde sicherte sich die Partei von Präsident Macron eine komfortable Machtbasis für seine Reformen, mit denen er Frankreich international wieder konkurrenzfähig machen will.
Laut Hochrechnungen kam Macrons Lager aus dem Stand auf 355 bis 365 der 577 Sitze in der Nationalversammlung. Meinungsforscher hatten zuvor bis zu 470 Mandate für möglich gehalten. Die absolute Mehrheit liegt bei 289 Sitzen.
Der Triumph für Macrons erst vor gut einem Jahr gegründete Mitte-Partei La République en Marche und ihre Verbündeten bestätigt eine historische Zäsur für die französische Politik. Die traditionellen Regierungsparteien der bürgerlichen Rechten und der Sozialisten mussten eine weitere herbe Niederlage einstecken. Der Rechtspopulistin Marine Le Pen gelang erstmals der Einzug ins französische Parlament.
«Staatsbürgerlicher Generalstreik»
Die Wahlbeteiligung stürzte auf einen neuen historische Tiefpunkt. Sie lag laut Hochrechnungen um die 43 Prozent, noch deutlich niedriger als im ersten Wahlgang eine Woche zuvor.
Das könnte auf eine geringere Zustimmung in der Bevölkerung für den Kurs des neuen Präsidenten hindeuten, als die Sitzverteilung in der ersten Parlamentskammer vermuten lässt. «Unser Volk ist bei dieser Wahl in eine Form des staatsbürgerlichen Generalstreiks getreten», meinte der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon.
Premierminister Edouard Philippe begrüsste das Ergebnis: «Mit ihrer Wahl haben die Franzosen in grosser Mehrheit die Hoffnung der Wut vorgezogen, den Optimismus dem Pessimismus», sagte er.
Macron war vor sechs Wochen als jüngster französischer Präsident aller Zeiten in den Élyséepalast gewählt worden. Der 39-Jährige will noch in diesem Monat eine umstrittene Lockerung des Arbeitsrechts und ein neues Anti-Terror-Gesetz auf den Weg bringen.
Ausserdem strebt er weitreichende Reformen in der vom angekündigten Austritt Grossbritanniens verunsicherten Europäischen Union an und hofft dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Schon zum EU-Gipfel Ende dieser Woche wollen Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach Informationen aus dem Élyséepalst einen gemeinsamen Beitrag leisten.
Bürgerliche Rechte zweite Kraft
Laut den Meinungsforschungsinstituten Kantar Public-Onepoint, Ipsos und Elabe kommen die konservativen Republikaner und ihre Verbündeten auf 125 bis 133 Sitze. Die bürgerliche Rechte wurde damit zweite Kraft in der Volksvertretung.
Die Sozialisten von Macrons Vorgänger François Hollande, die in den vergangen fünf Jahren den Ton in der Nationalversammlung angegeben hatten, stürzten ab. Insgesamt dürften die moderate Linke und die Grünen zusammen nur noch mit 41 bis 49 Sitzen vertreten sein.
Die radikale Linke mit Jean-Luc Mélenchon sowie den Kommunisten bekam 23 bis 29 Abgeordnete. Mélenchon gewann nach eigenen Angaben seinen Wahlkreis in Marseille. Le Pens Front National konnte ihre Rolle im Parlament stärken, sie kommt laut Hochrechnungen aber trotzdem nur auf 6 bis 8 Sitze. Bislang waren es 2. Bei der Präsidentenwahl hatte Le Pen im ersten Wahlgang landesweit noch 21,3 Prozent der Stimmen bekommen.
Weitgehend freie Hand
Mit der klaren Mehrheit in der Nationalversammlung hat Macron nun weitgehend freie Hand für seine Gesetzespläne. Bremsen könnte allenfalls der Senat; die zweite Parlamentskammer wird von der bürgerlichen Rechten dominiert.
Allerdings sitzt die Nationalversammlung bei der Verabschiedung von Gesetzen am längeren Hebel. Vor allem bei der geplanten Arbeitsmarktreform sind ausserdem Protestkundgebungen von Gewerkschaften zu erwarten.
Frankreich leidet schon lange unter einer hohen Arbeitslosigkeit, sie lag zuletzt bei 9,5 Prozent. Das Wirtschaftswachstum hinkte in den vergangenen Jahren der Eurozone hinterher, die Staatsschulden liegen bei 96 Prozent der Wirtschaftskraft.
Nach der Wahl könnten Macron und sein Premierminister Philippe wie in Frankreich üblich ihre Regierungsmannschaft nachjustieren. Eine grössere Kabinettsumbildung gilt angesichts des Ergebnisses allerdings als unwahrscheinlich.