In die Stichwahl um das Präsidentenamt in Frankreich gehen der europafreundliche Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und die Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen. Die beiden lieferten sich am Sonntag im ersten Wahlgang ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Nach Auszählung von 40 Millionen Stimmen komme Macron auf 23,54 Prozent, teilt das Innenministerium mit. Le Pen erreicht 22,33 Prozent. Insgesamt waren rund 47 Millionen Franzosen zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 80 Prozent.
Die Kandidaten der 60 Jahre lang das Staatsoberhaupt stellenden Konservativen oder Sozialisten schafften es nicht in die zweite Runde am 7. Mai. Für diese sagten die noch am Abend veröffentlichte Umfragen dem unabhängigen Macron fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorher. Der Linksliberale sagte, er wolle das europäische Projekt erneuern und sich rasch eine Mehrheit im Parlament verschaffen.
Politiker der unterlegenen Lager riefen zur Wahl Macrons in der Stichwahl auf. So appellierte der sozialistische Regierungschef Bernard Cazeneuve an seine Landsleute, für Macron zu stimmen und dem Front National eine Niederlage zu bereiten. Auch mehrere Politiker in Europa drückten Macron ihre Unterstützung aus.
«Präsident der Patrioten»
«In einem Jahr haben wir das Gesicht der französischen Politik verändert», sagte Macron, dessen Bewegung «En marche!» (Vorwärts!) erst vor einem Jahr gegründet wurde. Er wolle eine Mehrheit bilden, um mit neuen Gesichtern zu regieren. «Ich will der Präsident der Patrioten sein gegen die Bedrohung durch die Nationalisten», sagte der 39-Jährige. Er reagierte damit auf Le Pen, die vor ihren Anhängern «alle Patrioten» aufgerufen hatte, sie zu unterstützen.
Le Pen nannte ihr Ergebnis «historisch». Es sei an der Zeit, das französische Volk von der «arroganten Elite» zu befreien. Mit Macron, den sie als Erbe des scheidenden Präsidenten François Hollande titulierte, werde sich nichts ändern: «Frankreichs Überleben steht auf dem Spiel.» Hollande gratulierte Macron in einem Telefonat zum Einzug in die Stichwahl. Der bei den Wählern unbeliebte Sozialist hatte auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit verzichtet.
Der konservative Kandidat François Fillon gestand seine Niederlage ein und warb ebenfalls um Unterstützung für Macron: «Es gibt keine andere Wahl, als gegen die extreme Rechte zu stimmen.» Auch der Linke Jean-Luc Mélenchon, der wie Le Pen für einen Austritt aus der Euro-Zone eintrat, schaffte es nicht in die Stichwahl. Er hatte in den Wahlumfragen zuletzt deutlich aufgeholt. Mélenchon sagte, er werde für den 7. Mai keine Empfehlung abgeben. Insgesamt waren elf Kandidaten angetreten.
Die Wahl nach der Wahl
Egal, ob Frankreichs künftiges Staatsoberhaupt Macron oder Le Pen heisst: Ob der Präsident auch eine Regierungsmehrheit bekommt, ist höchst ungewiss und wird erst bei der Parlamentswahl im Juni entschieden. Seit 15 Jahren gilt in Frankreich eigentlich ein ungeschriebenes Gesetz: Die Franzosen verschaffen ihrem neugewählten Präsidenten bei den kurze Zeit später folgenden Parlamentswahlen eine Regierungsmehrheit. Der Staatschef kann also seinen Wunschkandidaten als Premierminister einsetzen und Gesetze durch die Nationalversammlung bringen.
Doch diesmal ist alles anders. Zwar hat Macron die erste Wahlrunde für sich entschieden. Aber wie soll der Sozialliberale, dessen Bewegung gerade einmal ein Jahr alt ist, eine Mehrheit in der Nationalversammlung erzielen? Oder Le Pen, deren Front National derzeit gerade einmal zwei Abgeordnete stellt?
Macrons Devise ist: «Wenn die Franzosen mich zum Präsidenten wählen, werden sie mir eine Mehrheit in der Nationalversammlung geben.» Der frühere Wirtschaftsminister hat versprochen, für jeden der 577 Sitze in der Nationalversammlung einen Kandidaten aufzustellen. Die Hälfte der Kandidaten soll der Zivilgesellschaft entstammen.
«Neue Talente»
Seine Regierungsmehrheit werde er sich mit «neuen Gesichtern und neuen Talenten» sichern, sagte Macron am Sonntagabend. «Jede und jeder kann dabei seinen Platz haben», betonte er.
Dass die Rechtspopulistin Le Pen im unwahrscheinlichen Fall eines Siegs bei der Präsidentschaftswahl auch eine Parlamentsmehrheit erringt, darf als ausgeschlossen gelten – auch wenn die Front-National-Führung das Gegenteil beteuert.