Männerwirtschaft in Missouri

Der Kandidat Mitt Romney sackt in den Meinungsumfragen täglich tiefer ab. Unterdessen schliessen sich die Reihen der Republikanischen Partei um einen Rechtsaussen, der in den Senat strebt. Ohne eine Mehrheit in dieser Kammer des US-Kongress hat kein künftiger Präsident eine freie Hand für seine Politik. Erinnern Sie Sich noch an Todd Akin? Richtig! Es handelt […]

Gallup Poll (wöchentliche Durchschnittswerte von registrierten Wählern): Die Schere öffnet sich zugunsten Obamas.

Der Kandidat Mitt Romney sackt in den Meinungsumfragen täglich tiefer ab. Unterdessen schliessen sich die Reihen der Republikanischen Partei um einen Rechtsaussen, der in den Senat strebt. Ohne eine Mehrheit in dieser Kammer des US-Kongress hat kein künftiger Präsident eine freie Hand für seine Politik.

Erinnern Sie Sich noch an Todd Akin? Richtig! Es handelt sich um den Republikaner aus Missouri, der für den US-Senat kandidiert, und der sich mit widerwärtigen Äusserungen über Vergewaltigungen so weit ins rechte Abseits manövriert hat, dass selbst die republikanische Parteispitze auf Distanz von ihm gerückt ist. Inklusive Präsidentschaftskandidat Mitt Romney.

In dem Interview des Anstosses mit dem Lokalfernsehsender KTVI in St. Louis hatte Akin im August von «echten Vergewaltigungen» geredet (was impliziert, dass es auch «unechte Vergewaltigungen» gibt). Zweitens hat er wider jede medizinische Erkenntnis behauptet, dass der weibliche Körper nach «echten Vergewaltigungen», in der Regel das «ganze Ding zumachen» und nicht schwanger werden würde. Drittens hat er gesagt, dass er auch im Falle von «echten Vergewaltigungen» gegen Abtreibung sei. Akin: «Ich denke, es sollte eine Strafe geben. Aber für den Vergewaltiger. Nicht für das Kind».

Als ich das Interview zum ersten Mal hörte, hätte ich gewettet, dass Akins Karriere zu Ende ist. Mir erschien es unmöglich, dass so einer in einer Demokratie noch eine Zukunft hat.

Doch ich habe die USA des Jahres 2012 überschätzt: In dem Land musste Akin ein paar Tage nach seinem Interview sagen, er habe sich «versprochen». Und: er habe ein «falsches Wort» benutzt. Damit war die Sache für ihn fast erledigt. Ein Rücktritt, so sagte er, käme für ihn nicht in Frage. Akin: «Ich bin kein Schlappschwanz».

Akin ist mit seinen 65 Jahren kein Anfänger mehr: weder im Leben noch in der Politik. Er sitzt seit 1988 in verschiedenen Parlamenten. Und auf seiner Webseite verweist er stolz auf sein Rating als ein «100 Prozent konservativer Abgeordneter». Er ist „Pro-Life“ – was in einer eigenartigen Wort- und Sinnverdrehung übrigens keine prinzipielle Ablehnung der Todesstrafe beinhaltet. Und er ist auch sonst in Phase mit dem gegenwärtigen republikanischen Parteiprogramm: Er ist für freien Waffenbesitz. Gegen schwule und lesbische Ehen. Für weniger Steuern, für weniger Sozial- und Krankenversicherung und für weniger Staat. Selbstverständlich ist Akin auch für eine starke «nationale Verteidigung».

Für eine kurze Weile blieb Akin nach dem Interview in Partei-Quarantäne. Auf dem Krönungsparteitag für Romney in Tampa war er unerwünscht. Die republikanische Spitze glaubte, der Mann aus Missouri könnte ihr mehr schaden als nützen. 

Doch damit ist es vorbei. In dieser Woche hat Akin die Unterstützung von zwei republikanischen Schwergewichten bekommen: Zwei frühere Präsidentschaftskandidaten. Der Ex-Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, ist Anfang der Woche nach Missouri gereist, um den extremen Rechtsaussen beim Fundraising zu unterstützen. Wenige Tage später hat am Mittwoch auch der katholische Fundamentalist Rick Santorum Akin öffentlich seinen Beistand erklärt. Beide betrachten den Mann aus Missouri als konservativen Hoffnungsträger. Sie glauben, dass er im November in den US-Senat einziehen wird. 

Während Akin Rückenwind hat, befindet sich jetzt Präsidentschaftskandidat Romney im freien Fall. Eine Umfrage von Bloomberg gibt Präsident Barack Obama auf nationaler Ebene einen Vorsprung von sechs Punkten vor ihm: (49%-43%). Umfragen im Auftrag von New York Times und CBS zeigen, dass Romney auch in den beiden wichtigen Swing-Staates Ohio und Florida (jeweils 53 Prozent für Obama) weit abgeschlagen ist. Ohne die Unterstützung von Ohio ist noch nie ein Republikaner US-Präsident geworden.

Gingrich und Santorum haben während den Primaries im Frühling gegen Romney gekämpft. Im Sommer haben sie ihren ehemaligen Rivalen zumindest offiziell unterstützt. Aber knapp sechs Wochen vor den Wahlen scheinen beide bereits auf einen anderen Weg zur Vergrößerung der Macht ihrer Partei zu setzen: Sie wollen den Senat. Und die Meinungsumfragen im «tiefen Amerika» zeigen ihnen, dass das nicht unmöglich ist. Wenn die RepublikanerInnen im Senat die Mehrheit bekommen, können sie jede Politik blockieren. Egal, wer im Weissen Haus sitzt. 

Was für ein Glück, dass mir im August niemand eine Wette angeboten hat.

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