Aschenputtel, Rotkäppchen und Rumpelstilzchen – praktisch jeder kennt die Geschichten der Grimms. Doch die Welt der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm hat noch mehr zu bieten – davon können sich Märchenfans ab Freitag im neu gebauten Museum Grimmwelt in Kassel überzeugen.
Die «Kinder- und Hausmärchen» sind bis heute das meistgedruckte und in über hundert Sprachen am häufigsten übersetzte deutschsprachige Buch. Für ihre Sammlung liessen sich die Brüder Grimm Märchen zuschicken oder am Schreibtisch in Kassel erzählen, wo sie knapp 30 Jahre lebten.
Das persönliche Handexemplar mit Notizen der Brüder aus den Jahren 1812 bis 1815 wurde 2005 in das Weltdokumentenerbe der Unesco aufgenommen und ist nun in der Grimmwelt erstmals öffentlich zugänglich.
Happy End dank den Grimms
In den Ausgangsversionen der Geschichten ging es nicht immer zimperlich zu. Da wird Rapunzel schwanger, Dornröschen stirbt. Den Grimms passte das nicht recht ins Konzept, erzählt Grimmwelt-Geschäftsführerin Susanne Völker. «Dass Märchen ein gutes Ende haben, ist ein Grimmsches Verdienst.»
Sprachlich wollte Jacob Grimm möglichst eng an den zugetragenen Fassungen bleiben. Der ein Jahr jüngere Wilhelm überarbeitete die Märchen aber. Mit einer klaren, einfachen und ursprünglichen Sprache machte er sie zu einem Stück Weltliteratur.
Dies alles lässt sich in der Grimmwelt Kassel anhand historischer Dokumente nachvollziehen. Ebenso können Besucher aber auch Ausschnitte aus Märchenverfilmungen ansehen oder hinter einer sprechenden Dornenhecke mit einem Spiegel die Frage nach dem schönsten Menschen diskutieren. Kinder können sich zum als Grossmutter getarnten Wolf ans Bett setzen oder einer in einen dicken braunen Ball verwandelten Hexe mutig einen Stoss geben.
Ende gut für Kassel
Für die umfassende Würdigung der Grimms hat Kassel einiges springen lassen. 20 Millionen Euro kostete der auch architektonisch ambitionierte Neubau der Grimmwelt auf dem zentrumsnahen Kasseler Weinberg. Sechs Millionen kamen von der EU, zwei Millionen vom Land Hessen. Die Stadt stemmte mit zwölf Millionen den Grossteil der Kosten.
Mit den Grimms will Kassel nun nach dem Kunstspektakel Documenta und dem Bergpark Wilhelmshöhe mit dem Herkules seine dritte «kulturelle Weltmarke» etablieren. Städterankings attestieren der lange strukturschwachen Stadt inzwischen eine besondere Dynamik. So sieht es für Kassel nach einem Märchen mit gutem Ende aus.