Privatsphäre kann glamourös wirken. Oder gefährlich.
Wenn ein Auto mit verspiegelten Scheiben vorbeifährt, ist das Interesse der Herumstehenden geweckt. Schliesslich sitzt da jemand drin, der nicht gesehen werden will. Eine spannende Person womöglich, von der man gerne einen Schnappschuss machen würde, um diesen auf Facebook zu posten – wenig ist so anziehend wie ein Geheimnis.
Wer nicht im Auto unterwegs ist, aber trotzdem etwas dafür tut, dass man sein Gesicht nicht gut erkennen kann, fällt allerdings meist eher negativ auf. Vermummte führen ja allzu oft nichts Gutes im Schilde, wie die Erfahrung zeigt; sie hören etwa Musik nach 22 Uhr und tanzen, oder sie tun noch Schlimmeres. Auch wer sich aus religiösen Gründen verschleiert, wird kritisch beäugt.
Verdeckte Köpfe bringen die Menschen zum Diskutieren.
Egal in welchem Kontext: Verdeckte Köpfe bringen die Menschen zum Diskutieren. Wie viel muss, darf, kann man vor der Gesellschaft verbergen? Wie viel Persönlichkeit offenbart denn nun der Kopf, sei es mit dem Haar oder dem Gesicht? So richtig konsequent wird das Verdecken aber auch nicht abgelehnt.
Spiegelnde Gläser sind nämlich durchaus auch dann in Ordnung, wenn es nicht um den Inhalt geheimnisvoller Luxuskarossen geht, sondern um das Gesicht. Glänzende, völlig blickdichte Sonnenbrillen rufen die gleichen Gefühle wach wie verdunkelte Scheiben: Dahinter muss ebenfalls ein spannender Mensch stecken – ein Agent vom Geheimdienst vielleicht oder ein Superstar. Vielleicht handelt es sich aber auch um einen Roboter, der die Weltherrschaft übernehmen will. Oder vielleicht handelt es sich einfach nur um Sie und mich.
Pilotenbrille «Aviator Large» mit verspiegelten Gläsernvon Ray Ban, etwa 180 Franken, bei Fielmann, Marktplatz 16, Basel; www.fielmann.ch
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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.08.13