Vor allem Heilpädagoginnen und -pädagogen, aber auch Reallehrkräfte und Kindergärtnerinnen fehlen an Schweizer Schulen, und das nicht allein wegen der als zu tief kritisierten Löhne, wie es beim Schulleiter-Verband heisst. Die Schulen müssen einiges unternehmen, um Abhilfe zu schaffen.
«Gross ist der Mangel in der Heilpädagogik», sagt Bernard Gertsch, Präsident des Verbandes Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz (VSLCH), der Nachrichtenagentur sda. Die Zusatzausbildung für Heilpädagogik sei aufwendig und die Arbeit mit den Kindern, Eltern, Klassenlehrern und Fachpersonen anspruchsvoll.
«Affinität für Menschen mit Schwächen»
«Heilpädagogen brauchen eine Affinität für Menschen mit Schwächen», sagt Gertsch. «Die sichtbare Wirkung ihrer Arbeit ist nicht gross, denn das Problem bleibt im Grundsatz bestehen.» Dass der Lohn gegen die Heilpädagogik spricht, glaubt er aber nicht.
Die Frage, ob heute mehr Heilpädagogen gebraucht werden als früher, ist für ihn schwierig zu beantworten. Die Sparte sei aber mit dem weitgehenden Verzicht auf Kleinklassen eher gewachsen, sagt er. «Und die Erwartungen, was die Schule für Kinder tun soll, sind grösser.»
Fehlten Heilpädagogen, müssten andere Lösungen gesucht werden. Eine kann laut Gertsch sein, dass die ausgebildeten Heilpädagogen Fälle abklären und den besonderen Unterricht begleiten. Das tägliche Üben dagegen übernehmen Lehrkräfte ohne heilpädagogische Ausbildung oder – falls sie es können – die Eltern.
Schwierigkeiten auch in Kindergärten
Auch Kindergärten haben laut Gertsch Mühe, Lehrkräfte zu finden. Diese absolvierten praktisch dieselbe Ausbildung wie Unterstufenlehrer, hätten aber schlechtere Arbeitsbedingungen und weniger Lohn.
«Zum Beispiel können sie die grosse Pause nicht mit den Kolleginnen und Kollegen verbringen, weil sie ihre Klasse beaufsichtigen müssen. Das geht auf Kosten der Teamarbeit.» Dass Lehrpersonen nicht in der Heilpädagogik arbeiten wollen, könne auch damit zu tun haben, dass Heilpädagogen nicht für eine Klasse verantwortlich sind.
Durchlässige Oberstufe als Pluspunkt
Lehrkräfte für die Oberstufe mit tieferem Niveau (Realschule) wurden in den vergangenen Jahren oft nur mit Mühe oder gar nicht gefunden. Die durchlässige Oberstufe (Sekundarstufe I) – hier können die Schüler das Leistungsniveau fachbezogen wechseln – sei hier ein Pluspunkt, sagt Gertsch.
«Alle Lehrerinnen und Lehrer arbeiten im gleichen Team. Niemand wird als Reallehrer abgestempelt.» Die Lehrer ein Fach einmal mit Grundanforderungen und ein anderes Mal mit erweiterten Anforderungen unterrichten. Die durchlässige Sekundarstufe I gibt es laut Gertsch allerdings nicht in allen Kantonen.
Doch auch das Schulklima spielt mit: «Eine gut geführte Schule mit einem guten Team, das den Lehrern Unterstützung bietet und gemeinsame Visionen entwickelt, hat weniger Mühe, gute Leute zu finden.» Der gute Ruf einer Schule spreche sich schnell herum. «Ist der Ruf aber ruiniert, ist es schwierig, ihn wieder neu aufzubauen.»
Lehrer-Dachverband kritisiert tiefe Einstiegslöhne
Anfang Juli machte der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) mit der Forderung nach örtlich bis zu 20 Prozent mehr Lohn für Lehrkräfte in den kommenden fünf Jahren von sich reden. Die Einstiegslöhne könnten mit der Privatwirtschaft nicht mehr überall mithalten, begründete LCH-Präsident Beat W. Zemp die Forderung.
Die Lohnentwicklung im Unterrichtswesen sei in den letzten 20 Jahren im Vergleich zu anderen Branchen unterdurchschnittlich gewesen. Vor allem als Haupteinkommen seien die Einstiegslöhne zu tief.
Um die Probleme mit dem Lehrermangel nachhaltig zu lösen, braucht es laut Zemp wieder mehr Männer in den Klassenzimmern, die ein Vollpensum übernehmen. Dass Männer sich immer weniger für den Lehrerberuf gewinnen liessen, habe mit den zu tiefen Einstiegslöhnen und mit einer fehlenden Laufbahnentwicklung im Lehrerberuf zu tun.
Nachteil Kantonsgrenze
Auch für Gertsch sind die Löhne ein Thema: Grosse Lohnunterschiede unter Nachbarkantonen wie zum Beispiel zwischen Bern und Solothurn wirkten sich aus. Es komme vor, dass Lehrkräfte, die im schlechten zahlenden Kanton nahe der Kantonsgrenze lebten, sich wegen des höheren Salärs für eine Stelle im Nachbarkanton entschieden.