Der Mangel an in der Schweiz ausgebildeten Ingenieuren ist hausgemacht. Einerseits werden zu wenige Ingenieure ausgebildet, um die stark gestiegene Nachfrage zu befriedigen. Andererseits sind die Arbeitgeber oft zu wählerisch.
Neun von zehn Führungskräften, die Ingenieure anheuern, finden die Besetzung einer Stelle mindestens als schwierig, wie aus einer Umfrage des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse und dem Ingenieurverband STV hervorgeht. An der bereits ein Jahr alten Umfrage nahmen 3300 Ingenieure teil, davon etwa ein Drittel als Führungskräfte.
Und von diesen Führungskräften, die an der Besetzung einer Ingenieurstelle beteiligt waren, sagten 28 Prozent: «Wir wollen nur Kandidaten, die voll in Profil passen.» Ein Fünftel gab an, den Kandidaten kein genügend gutes Angebot machen zu können. Überproportional stark sei das Problem in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie).
«Dies überrascht nicht, denn die MEM-Unternehmen sind oftmals stark exportorientiert.» Viele Unternehmen würden unter dem starken Schweizer Franken und der schwächelnden europäischen Konjunktur leiden, hiess es in der Studie. Sie steckten noch in der Restrukturierung und hätten deshalb Schwierigkeiten, Mitarbeiter auf ein Stellenprofil hin einzuarbeiten, sagte Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch vor den Medien.
Grosse Diskrepanzen
Die Diskrepanz zwischen den Stellenanforderungen und den Qualifikationen der Kandidaten ist zum Teil erheblich. Am grössten ist der Mangel bei Weiterbildungen, erreichten beruflichen Erfolgen und sozialen Kompetenzen wie etwa Teamfähigkeit oder sicherem Auftreten.
Das Bild, dass Ingenieure Nerds (englisch für Fachidiot) seien, stimme nicht, sagte Minsch: «Aber es gibt schon noch einige, die an ihrer Sozialkompetenz arbeiten müssen.» Auch bei der Leistungsbereitschaft hapert es. Kein Problem seien hingegen die Abschlussnoten und die Englischkenntnisse der Jobkandidaten.
Firmen, die keine Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ingenieurstellen hätten, würden sich bei ihren Anforderungen flexibler zeigen, sagte STV-Vizepräsident Daniel Löhr. Diese Unternehmen würden weniger genau auf das Profil schauen, sondern darauf, was der Kandidat grundsätzlich mitbringe und diese dann einarbeiten.
«Ein Ingenieur kann sich mit neuen Themen auseinandersetzen. Das wird vielerorts vergessen. Man hat immer das Gefühl, wenn ein Ingenieur noch nicht alles kann, dass er das auch nie lernen wird», sagte Löhr. Er appelliere an die Unternehmen, sich flexibler zu zeigen.
Löhne zu tief
Ein weiterer Grund für den Ingenieurmangel ist, dass jeder Dritte seiner angestammten Tätigkeit den Rücken kehrt. Als Hauptgrund für den Funktionswechsel wurden die besseren Entwicklungsmöglichkeiten genannt. Auch die Unzufriedenheit mit dem Inhalt der Arbeit ist ein wichtiger Faktor. Für ein Viertel der Antwortenden war der Lohn zu tief.
Der jährliche Medianlohn von Ingenieuren beträgt laut dem STV 117’000 Franken, wobei die eine Hälfte der Ingenieure mehr, die andere Hälfte weniger verdient. Im Vergleich zu anderen verantwortungsvollen Tätigkeiten, die eine akademische Ausbildung erforderten, wie beispielsweise Juristen oder Medizinern, werde ein eklatantes Missverhältnis sichtbar, erklärte Löhr unlängst in einem Interview: 150’000 Franken wären ein angemessener Lohn.