Margin Call – Kevin Spacey grübelt

Ubbbbs! (Bild: Hansjörg Betschart) UUBBSS! Wir sind in Schieflage! Wenn das ein Bankmitarbeiter merkt, ist das blöd. Wenn aber die Bank merkt, dass sie den Mitarbeiter eben entlassen hat, ist das noch blöder. Aber interessiert uns das? Wenn wir auf einer Bank arbeiten, ja. Wenn wir jemanden kennen, der auf einer Bank arbeitet, vielleicht. Wenn […]

Ubbbbs!

Kevin Spacey grübelt

(Bild: Hansjörg Betschart)

UUBBSS! Wir sind in Schieflage! Wenn das ein Bankmitarbeiter merkt, ist das blöd. Wenn aber die Bank merkt, dass sie den Mitarbeiter eben entlassen hat, ist das noch blöder. Aber interessiert uns das? Wenn
wir auf einer Bank arbeiten, ja. Wenn wir jemanden kennen, der auf einer Bank arbeitet, vielleicht. Wenn wir in vier Jahr wissen wollen, warum der benachbarte Banker plötzlich sein Haus verkauft, kaum. Wenn wir aber unser Geld einer Bank anvertraut haben, dann: auf jeden Fall: In „Margin Call“ von J.C. Chandor, erfahren wir, wo der Hund begraben wird.

Wenn wir es auch erst im letzten Bild erfahren: Im Garten der Villa. Dort wo jetzt die Ex von Sam Rogers in all dem Reichtum wohnt, den Sam in 35 Jahren Bankerdasein angehäuft haben muss. Dort liegt der Hund. Dass der Hund krank war, erfuhren wir gleich zu Beginn. Den Rest der Zeit beschäftigen wir uns mit Tradern, Leuten wie Adoboli und Kerviel und Nick Leeson. Nur dass die Trader dieser Bank nicht filmreif hinter Gitter landen, wie Adoboli zuletzt.

Weil keiner dieser Trader gegen Gesetze verstösst? Nein. Weil die Trader alle dem Gesetz der Gesetze folgen, das den feinen Unterscheid zwischen legalem und illegalem Geschäften macht: Den letzten beissen die Hunde. Der Tag in der Bank beginnt mit Entlassungen im Risk-Management: Eric wird abgeschossen. Ubbbs! Eric? Betreten des Arbeitsplatzes verboten.

Der Badge ist abzugeben, das Handy mit sofortiger Wirkung gesperrt. In einem Karton darf Eric seine Habseligkeiten mit nach Hause nehmen. Security geleitet ihn aus dem Gebäude. Plötzlich ähnelt nicht nur die Sprache der Banker erschreckend jener der Mafia. Auch ihre Methoden. Für die Firma ist Eric tot.

Der Obertrader, Kevin Spacey, seziert den Abteilungsleiter Sam Rogers, der die Kündigungen mitzieht, wie eine stille Mafiafigur – mit der beängstigenden Präzision eines Killers. Er zeichnet hinreissend die Beweglichkeit eines depressiven Grüblers. Was soll er, der Topshot der Trader, tun, wenn die ganze Abteilung mit ihren strukturierten Hypothekenpapieren plötzlich schief liegt? Wenn all die verbrieften Hypotheken plötzlich Leichen sind? Er weiss es: Die Leichen weiterreichen. Aber vorerst zeigt er Skrupel. Weil er weiss, dass er jeden Käufer belügen, schlecht beraten, übers Ohr hauen müsste. Wäre da nicht der CEO John Tuld, von Jeremy Irons ebenso kühl wie tödlich gespielt, er liesse sich nicht hinreissen . Tuld ist unwiderstehlich – besser: die Abfindungssumme ist es. Auch Rogers ist schliesslich käuflich.

Nach einer Nachtschicht lässt die Bank die Trader der Frühschicht in den ersten Börsenstunden alle toxischen Papiere auf den Markt werfen. Nach wenigen Minuten ist der Markt überverkauft, der Index krank, die Bank gerettet, der Handel mit verbrieften Hypotheken geschlossen und alle Trader haben sich zur Kündigung eine goldene Nase verdient: Auch im Film werden Boni in Form von Aktien ausbezahlt. Die sind einkommenssteuerfrei. Lehman Brothers lässt grüssen. Eigentlich wurde da ja auch nur ein Hund begraben.

Ein Hund? Der Film ist nicht zimperlich. 2008 die toxischen Croupiers gesiegt: Wer seit damals noch Geld in dieses Schneeballsystem hineinschiesst, verliert Geld, wie alle, die für einen Kettenbrief einzahlen, oder er verdient Geld, weil er zu den Betreibern des Schneeballsystems gehört. Les jeux sont faits! Wer am Schluss die Blöden sind, wird in den Dealer-Bildern des Films nur angedeutet: Die letzten, die Geld einschiessen sind: Pensionskassenfonds (der Steuerzahler, die Steuern zahlen), Staatsfonds (der Steuerzahler, die Steuern zahlen), und Nationalbanken (der Staaten der Steuerzahler, die Steuern zahlen). Die Banker werden mit vergoldeten Nasen entlassen. Das ist natürlich nur im Film so. Wir wollen lieber nicht allzu lange nachfragen, ob so etwas auch in den Etagen unserer Banken stattfindet. Aber als Jugendliche könnten wir schon ins Grübeln kommen, wer da gerade unsere Zukunft verbrennt, im Film.

Kinozeiten

Nächster Artikel