In der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind am Sonntag aus Protest gegen die Misshandlung des Oppositionsführers Juri Luzenko durch die Polizei zehntausende Menschen auf die Strasse gegangen.
Zehntausende Menschen gingen am Sonntag in Kiew auf die Strasse, nachdem sich der Oppositionsführer Juri Luzenko am Tag zuvor bei Demonstrationen und dem Aufeinandertreffen mit der Polizei Verletzungen zu zog.
AFP-Reporter sprachen von rund 50’000 Anhängern der proeuropäischen Opposition auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz. Luzenko war am Freitagabend bei Zusammenstössen zwischen zumeist rechten Demonstranten und der Polizei verletzt worden.
Polizisten hätten dem 49-Jährigen mehrfach auf den Kopf geschlagen, sagte seine Sprecherin. Danach habe man ihn mit Kopfverletzungen auf die Intensivstation einer Kiewer Klinik gebracht. Fotos zeigten den Politiker mit blutüberströmtem und verbundenem Kopf.
Bei Vermittlungsversuch verletzt
Luzenko habe eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde sowie mehrere Blutergüsse erlitten, sagte seine Ehefrau Irina. Ihr Mann habe zwischen Nationalisten und Mitgliedern der Spezialeinheit Berkut (Steinadler) vermitteln wollen. Gemäss seiner Sprecherin konnte Luzenko die Intensivstation noch am Samstagabend verlassen. Vorerst dürften ihn jedoch nur seine engsten Verwandten besuchen. Am Sonntag lagen auch vier Demonstranten noch im Spital.
Luzenko war Innenminister unter der inhaftierten ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. «Wenn die Polizei nicht einmal davor zurückschreckt, ihren früheren Boss zu schlagen, zeigt dies, dass die Behörden jene einzuschüchtern suchen, die sich gegen sie zu erheben wagen», sagte der Rentner Anatoli Radjuk am Sonntag.
Im April 2013 war Luzenko nach mehr als zwei Jahren aus umstrittener Haft entlassen worden. Er war trotz internationaler Kritik wegen Amtsmissbrauchs verurteilt worden.
Janukowitsch beschuldigt Provokateure
Die EU-Botschaft in Kiew zeigte sich besorgt über die Krawalle und mahnte beide Seiten zum Gewaltverzicht. Die regierende Partei der Regionen von Präsident Viktor Janukowitsch machte hingegen Provokateure aufseiten der Oppositionspartei Swoboda (Freiheit) verantwortlich, die Kritikern zufolge rechtsextrem ist.
Die Swoboda-Anhänger hatten am Freitagabend gegen die Verurteilung von drei Ultranationalisten zu je sechs Jahren Haft protestiert und versucht, das Gerichtsgebäude zu blockieren. Die Männer hatten 2011 einen Anschlag auf eine Statue des sowjetischen Revolutionsführers Lenin im Ort Borispol bei Kiew geplant. Das Innenministerium der früheren Sowjetrepublik teilte mit, 20 Sicherheitskräfte seien bei den Zusammenstössen ebenfalls verletzt worden.
Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs ein, aber auch mehrere Verfahren gegen Demonstranten. Die Berkut-Truppe ist für ihr brutales Vorgehen berüchtigt. Ein Einsatz der Spezialeinheit gegen prowestliche Aktivisten in Kiew hatte Anfang Dezember die Massenproteste gegen Janukowitsch angeheizt. Swoboda bekommt nach Ansicht von Kritikern auch Unterstützung von rechtsextremen Fussball-Hooligans und Schlägerbanden.
Aufruf zu weiteren Protesten
Oppositionsführer Vitali Klitschko, der den Polizeieinsatz vom Freitag scharf verurteilte, rief in einer gemeinsamen Erklärung mit den Parteiführern Arsenij Jazenjuk und Oleg Tiagnibok zu weiteren Protesten gegen Janukowitsch auf. Wegen der Neujahrs- und Weihnachtsfeiertage hatten die Proteste zuletzt deutlich an Schwung verloren.
Es wird aber erwartet, dass die Demonstrationen nun wieder anschwellen. Auslöser der Protestbewegung war die Entscheidung Janukowitschs im November, ein lang geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen.