Max Payne 3 – Spielkritik

Findet sich im Briefkasten ein Paket mit dem schwarzen „R“ mit Sternchen auf gelbem Grund, ist das in der Regel Grund zur Freude. Das Logo gehört zu Rockstar Games, dem Spielestudio mit dem wohl höchsten Hit-Koeffizienten der Branche: Die Grand Theft Auto Reihe (GTA), Red Dead Redemption und zuletzt L.A. Noire heissen die Tophits der […]

Ein Bild fast wie aus einem Michael Mann Film.

Findet sich im Briefkasten ein Paket mit dem schwarzen „R“ mit Sternchen auf gelbem Grund, ist das in der Regel Grund zur Freude. Das Logo gehört zu Rockstar Games, dem Spielestudio mit dem wohl höchsten Hit-Koeffizienten der Branche: Die Grand Theft Auto Reihe (GTA), Red Dead Redemption und zuletzt L.A. Noire heissen die Tophits der Firma und sind jeder Spielerin und jedem Spieler wohlbekannt.

Jüngere Spielerinnen und Spieler dürften sich hingegen kaum an Max Payne erinnern. Über zehn Jahre ist es her, seit der kaputte Anti-Held seinen Einstand in der Shooter-Welt feierte und neun Jahre, seit Teil 2 erschien. Höchstens der gleichnamige Kinofilm mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle könnte noch bei dem einen oder anderen im Gedächtnis sein (allerdings kaum wegen der Qualität des Filmes, er war nämlich grottenschlecht und wurde dem spielerischen Vorbild in keiner Art und Weise gerecht).

Für alle, die Herrn Payne also nicht kennen, hier eine Kurzfassung der Geschehnisse von Teil 1 und 2:

Teil 1: Max Payne ist ein New Yorker Cop. Im ersten Spiel jagt er die Mörder seiner Frau und seiner Tochter. Payne ist ein Wrack: Alkohol- und schmerzmittelsüchtigt, zynisch bis zum Abwinken und zudem von Alpträumen seiner toten Familie geplagt. Er führt einen blutigen Rachefeldzug gegen ein Drogenkartell- Frieden findet er aber auch nach der Tötung der Mörder seiner Familie nicht.

Teil 2: Im zweiten Spiel verbündet sich Payne mit einer Killerin namens Mona Sax und kämpft an ihrer Seite gegen die russische Mafia und eine Gruppe mysteriöser Auftragsmörder.  Er leidet immer noch unter dem Verlust seiner Familie und steht stets mit einem Bein in der Hölle. Die Tabletten- und Alkoholsucht sind Kernelemente seines Daseins. Am Ende stirbt Mona Sax, für die er Gefühle entwickelt, in seinen Armen (Kleiner Spoiler-Tipp: Beendet man das Spiel in der schwierigsten Stufe, überlebt sie).

Nun also ist der dritte Teil erschienen. Angekündigt vor über drei Jahren und dann mehrfach verschoben, wuchs die Skepsis der Fans bis zuletzt immer mehr. Auch die Tatsache, dass das Spiel nun komplett von Rockstar Vancouver und nicht mehr der finnischen Entwickler Remedy Games entwickelt wurde und die Story zudem von GTA Autor Dan Houser und nicht dem ursprünglichen Sam Lake geschrieben wurde, waren den Hoffnungn nicht unbedingt zuträglich. Als dann der erste Trailer erschien und das Spiel in Sao Paolo angesiedelt wurde und nicht mehr die düstere film noir Stimmung New Yorks verkörperte, glaubte so manch ein Fan die Franchise verloren. Weit gefehlt! Max ist zurück: Härter, zynischer und kaputter denn je…

Acht (Spiel-)Jahre sind vergangen seit den Ereignissen von Max Payne 2. Max Payne lebt immer noch in New York, Tabletten und Alkohol sind sein Lebensinhalt. Er legt sich mit einer lokalen Gang an und muss fliehen. Mit einem alten Bekannten zieht er nach Sao Paolo und heuert als Leibwächter an. Auch hier heisst sein bester Freund Jack Daniels und Schmerzmittel schluckt er mehr als andere Menschen Tic Tacs. Dann tauchen die ersten schwerbewaffneten Gangmitglieder auf und wollen seinem Boss an den Kragen, entführen dessen Frau und legen schliesslich seinen Chef um. Nun ist für Payne der Moment der Wahrheit gekommen: Er beginnt einen Rachefeldzug, bei dem die Überlebenschancen im Promillebereich liegen- und zwar deutlich tiefer als der Promillegehalt in seinem Blut…

Max Payne 3 ist ein rohes, brachiales, düsteres, ja fast tragisches Spiel. Die Hauptfigur ist am Ende, physisch und psychisch ein Wrack. Das vermeintlich unpassende Setting im sonnigen Brasilien ist ein Glücksgriff. Der Kontrast zwischen der Hauptfigur und der Umgebung könnte grösser nicht sein, doch je tiefer Payne in die Abgründe der brasilianischen Favelas eintaucht, desto rissiger wird das bunte Werbebild Sao Paolos und nähert sich der getriebenen Seele Paynes an.

Die Spielmechanik überzeugt, die Action hetzt gnadenlos von einem Showdown zum anderen. Ob in eleganten Wolkenkratzern, auf Speedboats, in den Favelas- die firmeneigene Grafik-Engine RAGE ( Rockstar Advanced Game Engine) kombiniert mit der Physik-Engine Euphoria leistet hervorragende Dienste. Das Spiel gehört grafisch zum Besten, was je auf den aktuellen Konsolen zu sehen war. Die spieltypische Bullet-Time, mit welcher auf Knopfdruck die Zeit verlangsamt werden kann, ist natürlich auch hier vorhanden und wurde spektakulärer denn je weiterentwickelt.

Max Payne 3 ist eines der brutalsten Spiele, das ich je gespielt habe. Ja, Blut fliesst auch in anderen Titeln in grossen Mengen, das hier Gezeigte ist in seiner Rohheit und Brutalität aber fast unerträglich. Gleichzeitig widerspiegelt alles aber auch die Seele des Protagonisten, unterstreicht die Kaputtheit seiner Welt auf eine Art und Weise, wie es wohl nicht mal ein Kinofilm könnte. Wer thematisch ähnlich gelagerte Filme wie „Man on Fire“ mit Denzel Washington oder „City of God“ gesehen hat, wird hier aus dem Staunen nicht raus kommen. In Max Payne 3 ist die Story nicht einfach Legitimation für die nächste Actionsequenz, sie ist der Motor des Spiels. Die Gewalt ist nicht Mittel zum Zweck, sie ist Sinnbild für eine Welt, in der der Tod immer nur einer Erlösung gleich kommt.

Max Payne 3 hebt sich auch in einer weiteren Besonderheit von aktuellen Actiontiteln ab: Es ist heutzutage üblich, dass Spiele keine Gesundheitsanzeige mehr haben. Wird die Spielfigur verletzt, so „heilt“ sie sich selbst, wenn sie in Deckung geht oder einer Weilte nicht getroffen wird. Nicht so Max Payne. Hier gibt’s einen klassischen Gesundheitsbalken, der mit jedem Treffer ein Stückchen abnimmt. Ist er weg, stirbt Payne. Einzig Schmerzmittel „laden“ den Balken wieder ein wenig auf. Und anders als in vielen aktuellen Spielen ist Max Payne 3 auch kein Kinderspiel in Sachen Schwierigkeit- der (Anti-)Held stirbt viele Tode, bis er schliesslich die Menschen bestraft, die für Verbrechen verantwortlich sind, die jeglicher Beschreibung entbehren.

Dass dem Spiel ein Mehrspieler-Modus einverleibt wurde, mag aus kommerzieller Sicht überzeugen und auch spielerisch ist er durchaus gelungen. Ähnlich wie in Uncharted 3 funktionieren die charakteristischen Spielelemente (sogar die Bullet-Time ist vorhanden) auch in Duellen mit bis zu 16 Spielern. Aus künstlerischer Sicht empfinde ich ihn allerdings als störend. Max Payne ist ein Einzelgänger, er ist die am Boden zerstörte Version von Clint Eastwood. Er hat keine 15 Freunde, die mit ihm spielen…

Für Hartgesottene und Actionfans bietet Max Payne 3 ein Spielerlebnis, wie es noch nie von einem Videospiel ermöglicht wurde. Wer sich nicht zu den Erstgenannten zählt, sei gewarnt: Dies ist ein Einweg-Trip direkt in die Hölle, kein Pauschalurlaub..

Max Payne 3, XBOX360, PS3, PC, PEGI: Ab 18 Jahren, Preis: ca, 79 Franken

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