Premierministerin Theresa May will den radikalen Islamismus aus der britischen Gesellschaft «ausrotten». Zugleich unterstützte sie am Montag die «Shoot to Kill»-Taktik der Polizei, also gezielte Schüsse mit Tötungsabsicht auf Angreifer.
«Jetzt reicht’s», sagte May nach dem Londoner Anschlag vom Samstagabend mit sieben Toten und rund 50 Verletzten. Die Regierungschefin stellte einen Vier-Punkte-Plan vor, der sich mit aller Härte nicht nur gegen Terroristen, sondern gegen den radikalen Islamismus schlechthin richtet. «Wir müssen viel stärker daran arbeiten, ihn zu erkennen und ihn aus dem öffentlichen Dienst und der Gesellschaft auszurotten.»
Mit dem Begriff «öffentlicher Dienst» spricht May vermutlich das Schulwesen an. Es gebe «viel zu viel Toleranz für Extremismus in unserem Land», sagte sie. «Wir werden den Terroristen nicht erlauben, dass sie uns besiegen. Wir werden sie besiegen.» May plant unter anderem eine schärfere Überwachung von Internet und Messenger-Diensten. Auch längere Haftstrafen gehören zum Paket.
«Das ist für Allah»
Drei Männer hatten am Samstagabend im Zentrum Londons Menschen mit einem Lieferwagen und langen Messern attackiert und dabei sieben Passanten getötet und rund 50 weitere teils schwer verletzt. Augenzeugen berichteten, die Angreifer hätten «Das ist für Allah» gerufen.
Die Angreifer, die Sprengstoffattrappen am Körper trugen, wurden von Polizisten erschossen – vom Notruf bis zu ihrer Tötung vergingen nur acht Minuten.
Namen zweier Attentäter bekannt
Die britische Polizei gab am Montagabend die Namen von zwei der drei Attentäter bekannt. Es handle sich um den 27-jährigen Khuram Shazad Butt, einen in Pakistan geborenen Briten, und den 30-jährigen Rachid Redouane, der sich als Marokkaner oder auch als Libyer ausgegeben habe. Beide hätten im Ostlondoner Stadtteil Barking gewohnt.
Der 27-Jährige sei dem Inlandsgeheimdienst MI5 und der Polizei bekannt gewesen, allerdings habe es keine Geheimdienstinformationen gegeben, dass er einen Anschlag geplant habe, erklärte die Polizei. Ob die Täter weitere Helfer hatten, sei noch nicht vollständig geklärt. Zur Identität des dritten Attentäters machte die Polizei keine Angaben.
Zwölf Menschen wurden im Zusammenhang mit dem Attentat festgenommen, am Montagabend waren die sieben Frauen und fünf Männer wieder frei. Auch die letzten zehn von ihnen seien ohne Anklage freigelassen worden, teilte die Londoner Polizei mit. Sie waren am Sonntag im Londoner Viertel Barking festgenommen worden. Zwei Festgenommene hatte die Polizei bereits zuvor freigelassen, ohne ein Verfahren gegen sie zu eröffnen.
Der Chef der nationalen Anti-Terror-Polizei, Mark Rowley, bat die Öffentlichkeit um Hinweise auf «diese Männer, ihre Bewegungen in den Tagen und Stunden vor dem Angriff und die Orte, die sie aufgesucht haben».
Ermittlungen gegen 3000 «Subjekte»
Rowley führte aus, dass die Polizei und der MI5 derzeit rund 500 Ermittlungen gegen 3000 «Subjekte von Interesse» führten. Zudem untersuchten «der MI5 und seine Partner» das Risiko, das von rund 20’000 früheren Verdächtigen womöglich weiterhin ausgehe. Laut Rowley durchkreuzten die britischen Sicherheitsbehörden seit 2013 18 Anschlagspläne, davon fünf in den vergangenen beiden Monaten.
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte am späten Sonntagabend den Anschlag für sich reklamiert. Ein Gedenkkonzert mit 50’000 Besuchern setzte im nordenglischen Manchester zeitgleich ein Zeichen gegen Terror.
Tausende an Mahnwache
Tausende gedachten am Montagabend bei einer Mahnwache in London der Opfer des Terroranschlags vom Samstagabend. «Das ist unsere Stadt, das sind unsere Werte, und das ist unsere Lebensart», rief Bürgermeister Sadiq Khan der Menge in einem Park an der Themse unweit des Tatorts zu.
Mutige Londoner seien Verletzten selbstlos zur Hilfe gekommen – «Ihr seid die Besten von uns!», sagte Khan. Er kündigte an, dass der Terrorismus besiegt werden würde. An der Mahnwache mit einer Schweigeminute nahmen auch der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, sowie weitere Vertreter verschiedener Religionen teil.
Dritter Anschlag in drei Monaten
Es war das dritte Attentat binnen drei Monaten in Grossbritannien und das zweite in London – alle drei hat der IS für sich in Anspruch genommen: In Manchester hatte im Mai ein Selbstmordattentäter nach einem Auftritt der US-Sängerin Ariana Grande 22 Menschen getötet.
Ende März war ein Mann auf der Westminster-Brücke in London mit hohem Tempo in Fussgänger gefahren. Anschliessend tötete er mit einem Messer einen unbewaffneten Polizisten. Sechs Menschen starben.
Der Wahlkampf für die Parlamentswahl in Grossbritannien wurde am Montag nach einem Tag Unterbrechung wieder aufgenommen. Die Wahl soll nach Mays Worten wie geplant am Donnerstag stattfinden.
Solidaritätsbekundungen
Aus aller Welt kamen Solidaritätsbekundungen. «Wir sind heute über alle Grenzen hinweg im Entsetzen und der Trauer vereint, aber genauso in der Entschiedenheit», erklärte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Im Gedenken an die Anschlagsopfer wurde das Brandenburger Tor in Berlin am Sonntagabend in den britischen Nationalfarben angestrahlt. Am Pariser Eiffelturm wurde die Beleuchtung in der Nacht ausgeschaltet.
Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte, Frankreich stehe «mehr denn je an der Seite des Vereinigten Königreichs». Russlands Präsident Wladimir Putin verurteilte «die Grausamkeit und den Zynismus» der Attentäter.
US-Präsident Donald Trump sagte Grossbritannien «unerschütterliche Unterstützung» zu. Zugleich betonte er seine Entschlossenheit, die USA mit allen nötigen Mitteln vor terroristischen Attacken zu schützen.
Die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard äusserte sich bestürzt über den Anschlag. In einem Tweet verurteilte sie die Tat «aufs Schärfste». Aussenminister Didier Burkhalter versicherte seinem britischen Amtskollegen Boris Johnson die Solidarität der Schweiz.
Facebook versicherte, das weltgrösste Online-Netzwerk wolle eine «feindselige Umgebung» für Terroristen sein. «Mit einer Mischung aus Technologie und Aufsicht durch Menschen arbeiten wir aggressiv daran, terroristische Inhalte von unserer Plattform zu entfernen, sobald wir von ihnen erfahren», sagte Facebooks Politik-Chef Simon Milner.