Die britische Premierministerin Theresa May hat am Dienstagabend den Brief an die EU unterzeichnet, mit dem ihre Regierung den Austritt Grossbritanniens aus der EU beantragen will. Der Brief soll am Mittwoch in Brüssel übergeben werden.
May setzte im Regierungssitz in der Downing Street ihre Unterschrift unter das historische Dokument. Der britische EU-Botschafter Tim Barrow soll den Austritts-Antrag am Mittwoch gegen 13.30 Uhr (MESZ) an EU-Ratspräsident Donald Tusk übergeben und damit offiziell Artikel 50 des EU-Vertrags auslösen.
Grossbritannien ist der erste Mitgliedstaat, der die EU verlässt. Die Briten hatten im vergangenen Juni in einem historischen Referendum mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt.
Am Mittwoch will die britische Premierministerin dazu offiziell eine Erklärung im britischen Parlament abgeben. May werde erklären, dass Grossbritannien eine stolze Vergangenheit und eine glänzende Zukunft habe, berichtete der Sender Skynews. Die Menschen müssten nun zusammenstehen.
Nach Angaben von Downing Street telefonierte May am Dienstagabend mit EU-Ratspräsident Donald Tusk sowie mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Bei den Gesprächen bestand demnach Einigkeit darüber, dass es «im Interesse aller sei», dass das Vereinigte Königreich ein enger Verbündeter der EU bleibe.
EU hofft auf konkrete britische Austrittsziele
Die übrigen 27 EU-Länder haben bereits eine gemeinsame Stellungnahme angekündigt. Ihre Verhandlungsposition wollen sie allerdings erst bei einem Sondergipfel am 29. April festzurren.
Die EU-Seite erhofft sich von May jetzt konkrete Hinweise zu den britischen Zielen in den komplizierten Verhandlungen. Bislang hat sich die Premierministerin recht vage geäussert. Auf einer Veranstaltung in Birmingham sagte May am Dienstag, dass sie eine «neue tiefe und besondere Partnerschaft» mit der EU anstrebe.
Harter Brexit
Klar ist aber, dass sie einen harten Brexit will: Grossbritannien wird demnach auch aus dem Europäischen Binnenmarkt und der Zollunion aussteigen. Die Briten wollen sich auch nicht mehr der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg unterwerfen.
Zu den wichtigsten Themen gehören die Rechte der etwa drei Millionen EU-Ausländer in Grossbritannien. Etwa eine Million Briten leben in anderen EU-Ländern.
Auch die neue EU-Aussengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland ist ein Topthema. Sie könnte dem Handel auf der Insel schaden und alte Wunden in der Ex-Bürgerkriegsregion aufreissen.
Keine Einzelabsprachen
Ein internes Papier der deutschen Regierung, über das die «Bild»-Zeitung (Mittwoch) berichtet, zeigt, dass Berlin «Einzelabsprachen ablehnt, da diese zu einer Spaltung der 27 EU-Staaten führen könnten».
Zwar stehen offiziell 24 Monate für die Brexit-Verhandlungen zur Verfügung, de facto verkürze sich diese Zeit auch wegen der erforderlichen Beteiligung des Europäischen Parlaments auf 15 Monate.
Deutschland lehne Ausnahmen, Übergangsregelungen und Nachverhandlungen für Einzelbereiche ab, da strittige Fragen, wie etwa die Personenfreizügigkeit, später kaum einfacher zu verhandeln seien.
Hohe Austrittsrechnung
Ärger deutet sich schon jetzt bei der Austrittsrechnung an. Experten sprechen von bis zu 60 Milliarden Euro, die die EU noch von Grossbritannien verlangen könnte.
Dabei geht es um Verpflichtungen, die das Land in mehr als 40 Jahren EU-Mitgliedschaft eingegangen ist. Die Premierministerin stellte solche hohen Zahlungen infrage.
Zwischen beiden Seiten umstritten ist auch die Reihenfolge der Verhandlungen. Während die Europäische Union erst einmal die Bedingungen des Austritts klären will, wollen die Briten möglichst rasch über einen umfassenden Freihandelsvertrag reden.
Streit mit Schottland
Streit gibt es zudem zwischen May und Schottland. Kurz vor der EU-Austrittserklärung stimmte das schottische Parlament am Dienstagabend einem erneuten Referendum zur Trennung von Grossbritannien zu.
Anlass für die Volksabstimmung ist Mays harter Brexit-Kurs. Schottland will zumindest im Europäischen Binnenmarkt bleiben. May lehnt einen solchen Sonderweg kategorisch ab.