An der Grenze zu Libyen geraten die tunesischen Sicherheitskräfte zunehmend ins Visier von Islamisten: Bei einem Angriff auf eine Kaserne sowie auf Posten von Nationalgarde und Polizei in der Stadt Ben Guerdane wurden am Montag mehr als 50 Menschen getötet.
35 Dschihadisten, zehn Sicherheitskräfte und sieben Zivilisten seien ums Leben gekommen, teilten das tunesische Innenministerium und das Verteidigungsministerium mit. Tunesiens Regierungschef Habib Essid berief eine Dringlichkeitssitzung mit dem Innen- und Verteidigungsminister ein.
Die Armee forderte die Bewohner von Ben Guerdane im Südosten Tunesiens über Lautsprecher auf, in ihren Häusern zu bleiben und jede verdächtige Bewegung zu melden. Einige der Angreifer seien geflohen und würden verfolgt. Das Militär betonte, es habe die Lage in der Stadt unter Kontrolle.
Der Grenzübergang Ras Jedir wurde für unbestimmte Zeit geschlossen, wie das tunesische Innenministerium mitteilte. Die wichtigsten Strassen, die Ben Guerdane mit den übrigen Landesteilen Tunesiens verbinden, wurden blockiert. Der staatlichen Nachrichtenagentur TAP zufolge wurde auch die bei Touristen populäre Insel Djerba abgeriegelt, die nur rund 100 Kilometer entfernt liegt.
Grenze zu Libyen bereits gesichert
Nahe Ben Guerdane hatten sich Sicherheitskräfte bereits am Mittwoch vergangener Woche Gefechte mit Extremisten geliefert. Bei vier von fünf Getöteten handelte es sich nach Behördenangaben um Tunesier, die über die libysche Grenze gekommen waren, um in Tunesien Anschläge zu verüben.
Seit einem US-Luftangriff auf ein Trainingscamp der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Libyen am 18. Februar, bei dem dutzende tunesische Dschihadisten getötet worden waren, befürchten die tunesischen Sicherheitskräfte ein Einsickern von islamistischen Attentätern.
In Tunesien hatte die IS-Miliz im vergangenen Jahr mehrere Anschläge verübt, die in Libyen geplant worden sein sollen. Aus Sorge vor dem Eindringen von Extremisten hat Tunesien seine Grenze bereits zusätzlich gesichert.
Libyen wird seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 von konkurrierenden Milizen beherrscht. Sie ringen neben zwei rivalisierenden Regierungen und Parlamenten in Tobruk und der Hauptstadt Tripolis um die Macht. Der IS nutzt die Lage, um sich in dem nordafrikanischen Land auszubreiten.