Personen, die beruflich regelmässig mit Kindern Kontakt haben, sollen zu einer Meldung an die Kindesschutzbehörden verpflichtet werden, wenn sie von Missbrauch erfahren. Der Bundesrat hat die Meldepflichten erweitert.
Bei sexuellem Missbrauch, Gewalt oder Vernachlässigung sollen Kinder möglichst rasch professionelle Hilfe erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, will der Bundesrat die Regeln zur Meldung an Kindesschutzbehörden schweizweit vereinheitlichen – und erweitern.
Heute müssen nur Personen in amtlicher Tätigkeit – wie beispielsweise Lehrer oder Sozialarbeiter – den Behörden grundsätzlich mitteilen, wenn ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung besteht. Neu soll diese Pflicht auch für Fachpersonen aus den Bereichen Betreuung, Bildung, Religion oder Sport gelten.
Der Bundesrat hat dazu am Mittwoch die Botschaft für eine entsprechende Änderung des Zivilgesetzbuches verabschiedet. Der Kindesschutz werde dank erweiterter Melderechte und Meldepflichten gestärkt, schreibt die Regierung.
Die neuen Regeln würden gewährleisten, «dass die Kindesschutzbehörde rechtzeitig die nötigen Massnahmen zum Schutz eines gefährdeten Kindes treffen kann». Es gelte zu verhindern, dass Kinder alleine in einer Situation gelassen würden, die ihnen langfristig gravierende Schäden zufügen könnte.
Keine Pflicht für Ehrenamtler
In der Vernehmlassung waren die Vorschläge der Regierung grösstenteils auf positives Echo gestossen. Allerdings sollen entgegen dem damaligen Entwurf nun ausdrücklich nur solche Fachpersonen eine Meldepflicht haben, die beruflich mit Kindern arbeiten.
Personen, die lediglich im Freizeitbereich tätig sind – etwa ehrenamtliche Sporttrainer -, sollen von der Meldepflicht ausgenommen werden. Die Meldepflicht besteht zudem nur dann, wenn die Fachperson dem Kind nicht im Rahmen ihrer eigenen Tätigkeit helfen kann.
«Damit wird der Kreis der Meldepflichtigen auf Fachpersonen beschränkt, welche in der Lage sein sollten, Kindeswohlgefährdungen einzuschätzen», schreibt der Bundesrat. Bereits in der Vernehmlassungsvorlage hatte die Regierung eine Meldepflicht für alle, beispielsweise Nachbarn und Bekannte von Kindern, abgelehnt. «Die neue Meldepflicht soll nicht zu einem Denunziantentum werden», schrieb der Bundesrat damals.
Melderecht bei Berufsgeheimnis
Untersteht eine Person dem Berufsgeheimnis, soll sie künftig nicht verpflichtet, aber berechtigt sein, eine Meldung an die Kindesschutzbehörde zu machen. Im Unterschied zum Vernehmlassungsentwurf ist das Melderecht für alle Berufsgeheimnisträger vorgesehen.
Meldeberechtigt sind neben Ärzten oder Psychologen unter anderem auch Anwälte. Ausgenommen sind jedoch die Hilfspersonen von Berufsgeheimnisträgern, also zum Beispiel Praxisassistenten oder Rechtspraktikanten.
Auf eine Meldepflicht wird laut dem Bundesrat verzichtet, «weil eine Meldung die Vertrauensbeziehung zum betroffenen Kind oder zu Dritten unnötig gefährden und somit kontraproduktiv wirken könnte». Eine Pflicht besteht nur dann, «wenn die geheimnisberechtigte Person sie dazu ermächtigt hat oder die vorgesetzte Behörde sie auf Gesuch der Kindesschutzbehörde vom Berufsgeheimnis entbunden hat».
Abwägung der Interessen
Generell soll eine Meldung nur dann erfolgen, wenn die Geheimnisträgerin oder der Geheimnisträger nach Abwägung der zu wahrenden Interessen zum Schluss kommt, dass sie dem Wohl des Kindes dient.
Personen, die dem Berufsgeheimnis unterstehen, sollen neu auch berechtigt sein, der Kindesschutzbehörde bei der Abklärung des Sachverhalts zu helfen. Dies, ohne sich vorgängig von der vorgesetzten Behörde, der Aufsichtsbehörde oder den betroffenen Personen vom Berufsgeheimnis entbinden zu lassen.