Die rot-schwarze Koalition in Österreich gibt sich mehr Zeit für die Lösung der Regierungskrise. Bundeskanzler Christian Kern verschiebt wegen der Verhandlungen seine von Sonntag bis Dienstag geplante Reise nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete.
Das sagte ein Regierungssprecher am Freitag. SPÖ-Politiker Kern selbst hatte bereits angedeutet, dass sein ursprünglich am Freitag auslaufendes Ultimatum an die konservative ÖVP nicht so eng gesehen werden müsse.
Spitzenpolitiker von sozialdemokratischer SPÖ und konservativer ÖVP unterbrachen am Freitagabend den Verhandlungsmarathon über Fortbestand oder Scheitern ihres Bündnisses. Die Verhandler werden am Samstag erneut in Wien zusammenkommen, um die Chancen für ein neues Arbeitsprogramm zu sondieren.
Optimistischer Vizekanzler
«Wir sind in der Zielgeraden», sagte Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Die Regierung habe bereits «viele Kurven überwunden». Die Gespräche zwischen der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP bezeichnete er als konstruktiv. «Wir haben nie Neuwahlen angestrebt», so Mitterlehner.
Kanzler Kern forderte nach dem Ende der Sitzung am Freitag eine «konkrete Vereinbarung mit ganz konkreten Vorhaben und ganz konkreten Zeitplänen» ein. Die erarbeiteten Vereinbarungen müssten alle Minister auch unterschreiben, forderte der Regierungschef.
«Ich gehe davon aus, dass wir im Lauf der nächsten Woche, am Anfang der nächsten Woche zu Ergebnissen kommen können», sagte Kern zu dem Zeitplan.
Am Vormittag wurde unter anderem über gemeinsame Projekte beim Thema Bildung verhandelt. Später folgten die Felder Umwelt und Innovationen sowie Wirtschaft und Arbeit.
Ziel der Gespräche ist es auszuloten, ob sich die SPÖ unter Bundeskanzler Kern und die ÖVP mit Vizekanzler Mitterlehner an der Spitze auf ein erneuertes Regierungsprogramm einigen können. Damit wäre ein Fortbestand der Regierung bis zur regulären Wahl im Herbst 2018 möglich.
Stundenlange Gespräche
Schon in der Nacht hatten die Spitzenpolitiker acht Stunden lang sondiert, ob das Bündnis angesichts tiefgreifender Differenzen in vielen inhaltlichen Punkten noch weiterbestehen könne.
Kern meinte, dass es in vielen Punkten Fortschritte gegeben habe. Vieles sei aber noch ungeklärt. «Es wird nicht reichen, wenn wir uns bloss in Absichtserklärungen ergehen», sagte der 51-jährige Regierungschef.
Er zeigte sich offen für eine weitere Verschärfung der Asylpolitik, wie sie die ÖVP zuletzt mit einer Halbierung der Obergrenze für Asylverfahren gefordert hat. Er verlangte aber, dass entsprechende Schritte in der Praxis umsetzbar sein müssten. ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka stehe da in der Pflicht, sagte Kern und spielte damit den Ball an die ÖVP zurück.
Die grosse Koalition regiert seit Ende 2013.