Das Geiseldrama in der algerischen Wüste ist am Donnerstag eskaliert. Die algerische Armee startete einen Angriff gegen die dschihadistische Gruppe, die am Vortag zahlreiche Ausländer auf einem Gasfeld als Geiseln genommen hatte. Dabei wurden mehrere Menschen getötet.
Ein Sprecher der Geiselnehmer sagte der mauretanischen Informationswebseite ANI, 34 Geiseln und 15 Islamisten seien getötet worden. Sieben Personen – drei Belgier, zwei US-Bürger, ein Japaner und ein Brite – befänden sich noch in der Gewalt der Entführer.
Zur Zahl der Opfer gab es jedoch widersprüchliche Berichte. Das algerische Staatsfernsehen meldete, beim Befreiungsversuch seien zwei Briten und zwei Philippiner getötet worden. 13 weitere Menschen, darunter sieben Ausländer, seien verletzt worden.
Der algerische Kommunikationsminister Mohamed Said sagte, beim Einsatz seien mehrere Geiseln befreit worden; jedoch habe es auch Tote und Verletzte gegeben. Genauere Angaben machte er nicht. Der Militäreinsatz wurde am Abend beendet, wie die staatliche Nachrichtenagentur APS meldete.
Said rechtfertigte den Helikopterangriff, den Algerien offenbar ohne Rücksprache mit westlichen Regierungen gestartet hatte. Die Regierung habe zunächst auf Verhandlungen für eine friedliche Lösung gesetzt. Die Intervention sei aber notwendige geworden, da die „schwer bewaffneten“ Geiselnehmer mit ihren ausländischen Geiseln ins Ausland fliehen wollten.
Sprengstoffgürtel für Geiseln
Zuvor hatten die Geiselnehmer offenbar einigen Entführten Kontakte zu Medien erlaubt, um die algerische Regierung davon abzuhalten, die besetzte Förderanlage zu stürmen. Einige der Geiseln müssten Sprengstoffgürtel tragen, sagte einer der Festgehaltenen. Die Entführer seien schwer bewaffnet.
Zwei der Geiseln, ein Brite und ein Ire, riefen im Fernsehsender Al-Dschasira die algerischen Streitkräfte auf, sich zurückzuziehen, um Opfer zu vermeiden. „Wir werden von den Kidnappern gut behandelt“, sagte der Brite. Man versuche sie zu überzeugen, dass Verhandlungen die beste Lösung seien.
Mehreren gelang offenbar die Flucht
Einigen Geiseln gelang offenbar noch vor dem Angriff der algerischen Armee die Flucht, wie verschiedene Medien berichteten. 15 Ausländer seien den Geiselnehmern entkommen, meldete der private algerische Fernsehsender Ennahar unter Berufung auf eine „offizielle Quelle“. Wie das irische Aussenministerium in Dublin mitteilte, konnte ein Ire fliehen.
Die algerische Nachrichtenagentur APS meldete zudem, die Armee habe vier ausländische Geiseln befreit, darunter ein Franzose, zwei Briten und ein Kenianer. Zudem hätten rund 600 algerische Arbeiter der Förderanlage von dort fliehen können.
„Internationales Problem“
Die Angreifer hatten das Gasfeld In Amenas im Osten Algeriens am Mittwoch überfallen und nach eigenen Angaben 41 westliche Ausländer und zahlreiche Algerier in ihre Gewalt gebracht. Mit dem Überfall wurde die Befürchtung Realität, dass die Militäraktion in Mali zu Vergeltungsmassnahmen von Islamisten in anderen Teilen der Welt führen wird.
Die Islamisten der Gruppe „Bataillon des Blutes“ hatten sich zu der Geiselnahme bekannt. Die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehenden Dschihadisten hatten erklärt, die Geiselnahme sei eine Reaktion auf den „Kreuzzug der französischen Truppen“ in Mali. Algerien sei als Ort der Geiselnahme ausgewählt worden, weil der algerische Luftraum für die französische Luftwaffe geöffnet worden sei.
Frankreichs Botschafter in Mali, Christian Rouyer, sah in der Geiselnahme eine Rechtfertigung für die Mali-Intervention. „Wir haben hier den unmittelbaren Beweis, dass das Problem weit über den Norden Malis hinausgeht“, sagte er im Radio. Die Dimension des Problems sei national und international.
Frankreichs Präsident François Hollande sagte am Abend ebenfalls, die Geiselnahme rechtfertige das militärische Eingreifen Frankreichs in Mali „noch mehr“. Es gehe dabei darum, eine „terroristische Aggression“ zu beenden. Die Lage vor Ort bezeichnete er als „dramatisch“.