Die Milchkuh-Initiative ist gescheitert. Nur knapp 30 Prozent der Stimmenden sprachen sich dafür aus, die gesamten Einnahmen der Mineralölsteuer und der Autobahnvignette zum Ausbau des Strassennetzes einzusetzen. Das hätte ein Loch in die Bundeskasse gerissen.
Rund 709’800 Personen stimmten der Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» zu, 1’719’300 Personen sagten Nein. Der Nein-Trend, der sich in den letzten Umfragen abzeichnete, hat sich damit noch verstärkt. Vor zwei Wochen hatten sich noch 40 Prozent für die Initiative ausgesprochen. Die Stimmbeteiligung lag bei 46,8 Prozent.
Für das Ständemehr reichte es ebenfalls nicht. In keinem einzigen Kanton stimmte eine Mehrheit für die Initiative. Am meisten Anklang hatte diese noch im Kanton Schwyz gefunden. Aber auch dort sagten nur 37 Prozent der Stimmenden Ja.
Deutlich wurde die Milchkuh-Initiative in ländlichen Kantonen und in Randregionen abgelehnt. In vielen Zentralschweizer Kantonen, in Graubünden, Neuenburg oder im Jura betrug der Nein-Stimmenanteil weit über 70 Prozent. Die Warnung vor drohenden Einsparungen bei der Landwirtschaft oder im regionalen Personenverkehr waren dort offenbar nicht ungehört verhallt.
Am deutlichsten war die Ablehnung aber in Kantonen mit grossen Städten. In der Waadt sagten 77,1 Prozent der Stimmenden Nein, in Basel-Stadt 75,7 Prozent, in Genf 75,6 Prozent. Luzern, Zürich und Bern sagten ebenfalls unmissverständlich Nein.
Gegen «Zweckentfremdung»
Hinter der Milchkuh-Initiative stand die Vereinigung der Schweizer Automobil- und Nutzfahrzeug-Importeure. Sie wurde unterstützt von Automobil- und Strassenverbänden, dem Gewerbeverband und einem überparteilichen Komitee, in dem Politikerinnen und Politiker von SVP, FDP und CVP sassen. Die SVP war allerdings die einzige Partei, die die Ja-Parole herausgegeben hatte.
Gemäss den Kalkulationen der Befürworter zahlen die Autofahrer jedes Jahr rund 9 Milliarden Franken an Steuern und Abgaben. Trotzdem gebe es immer mehr Stau, argumentierten sie. Das Geld für den dringend benötigten Ausbau sei vorhanden, werde aber zweckentfremdet. «Strassengeld gehört der Strasse», lautete einer der Slogans.
Die Initiative verlangte daher, dass die gesamten Erträge der Mineralölsteuer und der Autobahnvignette für den Strassenverkehr verwendet werden müssen. Heute fliesst die Hälfte der Mineralölsteuer – rund 1,4 Milliarden Franken – in die allgemeine Bundeskasse.
Tiefe Einschnitte
Das Anliegen, die Strasse mit reichlich Mitteln auszustatten, genoss Sympathien bis weit in die bürgerliche Mitte hinein. Doch überwogen die finanzpolitischen Bedenken. Weil die Initiative ihre Wirkung sofort entfaltet hätte, wäre über die ohnehin laufenden Sparanstrengungen hinaus ein kurzfristiges Sparprogramm nötig geworden.
Dieses hätte vor allem die Bildung, die Armee, die Landwirtschaft und die Entwicklungshilfe, aber auch das Bundespersonal betroffen. Der Bundesrat fasste zusätzliche Einsparungen von 500 Millionen Franken im Jahr 2017 ins Auge. Danach hätten diese schrittweise auf 1,6 Milliarden Franken pro Jahr erhöht werden müssen. Nun bleibt es bei dem geplanten Stabilisierungsprogramm mit Abstrichen von rund 1 Milliarde Franken pro Jahr.
Mehr Geld für die Strasse
Obwohl die Initiative gescheitert ist, geht die Strasse nicht leer aus. Der Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) soll Ausbau, Unterhalt und Betrieb des Nationalstrassennetzes langfristig finanzieren.
Der Ständerat hat die Vorlage bereits beraten. Gemäss seinen Beschlüssen würden 700 Millionen Franken in den Fonds fliessen, die heute der allgemeinen Bundeskasse gehören. Der NAF ist daher auch schon eine «halbe Milchkuh» genannt worden. Im Nationalrat steht der NAF in der letzten Woche der Sommersession auf dem Programm.
Dessen Verkehrskommission hat sich gegen die Vorlage ausgesprochen. Diese Abstimmung war jedoch im Hinblick auf den Urnengang vom Sonntag aus taktischen Gründen zu Stande gekommen: Die Befürworter der Initiative sprachen sich in der Kommission gegen den NAF aus, weil dieser mit einer Benzinpreiserhöhung um 4 Rappen verbunden ist.
Es ist zu erwarten, dass die Ratsrechte der Vorlage nun trotzdem zustimmt. Links-Grün könnte auf Kollisionskurs bleiben, falls der Nationalrat der Fokussierung des Agglomerationsprogramms auf Strassenausbauten zustimmt.