Eine überwiegende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung kann sich nicht vorstellen, dass in den nächsten zehn Jahren ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt wird. Doch dass dieses zu einem «kollektiven Müssiggang» führen könnte, wird durch eine Umfrage widerlegt.
In der telefonischen Befragung durch das Meinungsforschungsinstitut Demoscope gaben denn auch nur 10 Prozent der erwerbstätigen Personen an, dass sie bei einer Annahme der Initiative ganz oder eher aufhören würden zu arbeiten. 90 Prozent erklärten dagegen, sie würden ihre Arbeit auch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen eher oder bestimmt nicht aufgegeben.
54 Prozent der Befragten würden stattdessen lieber eine Weiterbildung in Angriff nehmen, bei den Jungen zwischen 18 und 34 Jahren wären es sogar 70 Prozent. 22 Prozent gaben ausserdem an, sie würden sich in dem Fall gerne selbständig machen.
Trotzdem sind nur 3 Prozent der Befragten der Ansicht, dass das Vorhaben bereits nach einem allfälligen Ja bei der Abstimmung in diesem Jahr eingeführt würde. Für 16 Prozent könnte das in 10 Jahren der Fall sein, für 15 Prozent in 25 Jahren und für 7 Prozent in 50 Jahren.
56 Prozent der Befragten können sich gar nicht vorstellen, dass die Idee überhaupt einmal umgesetzt wird. Optimistischer sind die Jungen: Dort sind es 48 Prozent, die an eine Einführung in den nächsten 25 Jahren glauben.
Weniger Existenzängste
Einige Argumente der Initianten stossen aber durchaus auf Zustimmung. So glaubt eine Mehrheit der Befragten, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens die Existenzängste wegnehmen würde: 67 Prozent fanden dieses Argument überzeugend oder eher überzeugend. Gar oder eher nicht einverstanden damit waren lediglich 30 Prozent.
Auch sozial hätte die Annahme der Initiative gemäss der Umfrage positive Auswirkungen: So gab eine Mehrheit von 53 Prozent der Befragten an, dass sie bei einer Einführung des bedingungslosen Einkommens mehr Zeit mit der Familie verbringen würde, 40 Prozent würden mehr Freiwilligenarbeit leisten und 35 Prozent würden beim Einkauf auf nachhaltige Produkte achten.
Befragt wurden im vergangenen November 1067 Stimmberechtigte in der Deutsch- und Westschweiz. Davon waren 676 erwerbstätig.
Abstimmung noch in diesem Jahr
Die Schweiz ist das erste Land, welches über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommen abstimmt. Diese Idee war sowohl im Bundesrat als auch im Parlament nicht mehrheitsfähig. Sogar die Vertreter der SP und der Grünen lehnten sie mehrheitlich ab.
Die Initiative will den Zusammenhang von Arbeit und Einkommen aufbrechen: Alle in der Schweiz lebenden Menschen sollen unabhängig von einer Erwerbstätigkeit ein Grundeinkommen erhalten. Zur Höhe äussert sich der Initiativtext nicht. Er bestimmt aber, dass das Einkommen der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen soll.
Die Initianten halten für Erwachsene 2500 Franken pro Monat für angemessen und 625 Franken für jedes Kind. Der Bundesrat schätzt die Kosten für das bedingungslose Grundeinkommen auf 208 Milliarden Franken pro Jahr. Dafür müssten 153 Milliarden Franken an zusätzlichen Steuern erhoben werden. Rund 55 Milliarden Franken könnten aus den Sozialversicherungen und der Sozialhilfe umgelagert werden.
Alternative Lebensmodelle
Hinter der Initiative steht eine Gruppe von Künstlern, Publizisten und Intellektuellen. Zum Initiativkomitee gehören der Publizist Daniel Straub, der frühere Bundesratssprecher Oswald Sigg oder die Zürcher Rapperin Franziska Schläpfer («Big Zis»). Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Adolf Muschg, der Philosoph Hans Saner, die Kommunikationsexpertin Beatrice Tschanz oder die Schriftstellerin Ruth Schweikert unterstützen das Anliegen.
Für sie geht es um einen «Kulturimpuls» und die Diskussion um alternative Arbeits- und Lebensmodelle. Die Idee selber ist aber alt. Grundlagen dazu wurden vom mittelalterlichen Autor und Staatsmann Thomas Morus formuliert. Der Ansatz ist jedoch aktueller denn je: 2017 will Finnland Versuche mit einem Grundeinkommen wagen. Dieses hat auch für Liberale einen gewissen Reiz, weil sich damit das bürokratische Sozialversicherungssystem ersetzen liesse.