Meinungsfreiheit gibt keine Lizenz zum Stören

Meinungsfreiheit bedeute nicht, im Schutze der Anonymität zu «lärmen» und «stur zu belehren», schreibt der TagesWoche-Leser Hans Jörg Martens in seinem Beitrag über einen Kommentator, der sich seit ein paar Wochen auf tageswoche.ch unter diversen Pseudonymen einmischt und «jede vernünftige Debatte stört». Meinungsfreiheit bedeute nicht, im Schutze der Anonymität zu «lärmen» und «stur zu belehren», […]

Meinungsfreiheit bedeute nicht, im Schutze der Anonymität zu «lärmen» und «stur zu belehren», schreibt der TagesWoche-Leser Hans Jörg Martens in seinem Beitrag über einen Kommentator, der sich seit ein paar Wochen auf tageswoche.ch unter diversen Pseudonymen einmischt und «jede vernünftige Debatte stört».

Meinungsfreiheit bedeute nicht, im Schutze der Anonymität zu «lärmen» und «stur zu belehren», schreibt der TagesWoche-Leser Hans Jörg Martens in seinem Beitrag über einen Kommentator, der sich seit ein paar Wochen auf tageswoche.ch unter diversen Pseudonymen einmischt und «jede vernünftige Debatte stört».

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Rechtsgut. Wir sind froh und sogar stolz darauf, denn nicht in jedem Land existiert sie. Aber ist sie ein absolutes Recht, ohne irgendwelche Grenzen? Eine erste Grenze finden wir in den Persönlichkeitsrechten, die ich aber hier nicht ausführen will. Unter Persönlichkeitsschutz findet der Interessierte eine schöne Zusammenfassung dazu.

Zuerst kommt für mich die Frage, warum denn jemand seine Meinung überhaupt äussern will oder soll. Ich denke, dass es um Kommunikation geht. Wenn ich mich also meines Rechts zur freien Meinungsäusserung bediene und am Barfi mit einer Trommel in der Hand herumbrülle «Alle die XY unterstützen, sind Vollidioten», dann werde ich zwar ein bisschen Beifall ernten können, einige Passanten werden mir sogar auf die Schultern klopfen, und ein Anderer mag mir ein blaues Auge verpassen.

Gerade viel Kommunikation kann aber bei solchem Einsatz nicht herauskommen. Es geht auch anders, wenn auch nicht unbedingt eleganter: Wenn uns der Herr C.B. aus H. mit seinen Briefen an das gesamte «Schwyzervolch» etwa einmal im Jahr erklärt, wo der Hammer hängt, dann findet auch nicht gerade viel Kommunikation statt. Aber sei’s drum, er konnte sich wenigstens erleichtern und uns über seinen Weg zum Glück belehren – seine Ausübung der Meinungsfreiheit.

Argumente statt Rüpeleien

Meinungsäusserungen, die ich ernst nehmen kann, gehen anders. Die wollen nicht einseitig belehren, sondern suchen den Dialog, eben zur Erweiterung des eigenen Bewusstseins. Daher kommt es, anders als gewisse Leute glauben, durchaus auf den Stil an. Ich will ja eine verständliche Antwort bekommen und ernst genommen werden. Also weder belächelt werden, noch den Gegner vor den Kopf stossen. Zudem will ich spüren können, was mein Gesprächspartner denn wirklich verstanden hat, erfahren, was dort angekommen ist: Das Ping-Pong kommt in Gang!

Klar, dass der Dialog zum Beispiel auf einer Baustelle anders klingen wird als einer im Seminar an der Uni oder wiederum anders als im Blog der TagesWoche. Es geht um meine Fähigkeit, meine Sprache und den Stil auf den Empfänger abzustimmen, also ganz einfach um den Respekt vor dem Anderen. Denn solange wir an der Demokratie festhalten (ich will dies unbedingt), ist der Andersdenkende nicht mein Feind, sondern der Partner für einen zukünftigen, demokratisch zu erarbeitenden Kompromiss.

Das bedeutet ja keineswegs, dass ich deshalb nur mit Samthandschuhen streiten muss. Besser als Rüpeleien taugen klare Argumente, also solche die sich auf Fakten, Gesetze und die gemeinsamen Regeln der Ethik abstützen.

Wer seine Meinungsfreiheit ausübt, der sollte sich schon überlegen, ob er nur lärmen oder stur belehren will – oder ob er einen Dialog, also die Kommunikation im betreffenden Kreis der Gesellschaft sucht. Bildung, Aufklärung und Information sind dabei ebenso berechtigte Inhalte wie Gefühle, denn wir denken nicht nur mit der so genannten Vernunft. Mais c’est le ton qui fait la musique, sonst bleibt der Konzertsaal leer.

Zensur ist etwas Anderes

Dann komme ich zu einer anderen Grenze, die leider nach Zensur riecht. Wenn sich jemand in einem Blog nicht um das dort übliche Niveau der Sprache und der Argumentation bemüht, dann gibts schon mal Ärger, weil dann die Kommunikation gestört wird.

Wenn dieser dann, nach mehrfacher Verwarnung und nach seinem Ausschluss, einfach Avatare produziert, sich also unter neuen Fantasienamen registriert und weiterhin jede vernünftige Debatte stört, dann mag ich nicht von Zensur sprechen. Vielmehr hat die Redaktion von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht. Darin sehe ich keine Verletzung der Meinungsfreiheit. In meinem Haus darf auch nicht jede beliebige Person drauflos stänkern, sonst werfe ich sie schlicht raus.

Immerhin sah ich in der TagesWoche bisher keine Meinungs-, sondern nur eine berechtigte Stilzensur zur Wahrung der ungestörten Kommunikation im Blog. Gut so!

Kommunikation ist die grossartigste Droge zur Bewusstseinserweiterung, die ich kenne, sie lebe hoch!

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