Menschen in Bulgarien gehen immer noch auf die Strasse

Bei den grössten Massenprotesten seit der politischen und finanziellen Krise 1997 haben Zehntausende Bulgaren eine grundlegende Systemreform verlangt. Im ganzen Land forderten am Sonntag Demonstranten Wahlen zu einer verfassunggebenden Grossen Volksversammlung.

Die Proteste in Bulgarien ebben nicht ab (Bild: sda)

Bei den grössten Massenprotesten seit der politischen und finanziellen Krise 1997 haben Zehntausende Bulgaren eine grundlegende Systemreform verlangt. Im ganzen Land forderten am Sonntag Demonstranten Wahlen zu einer verfassunggebenden Grossen Volksversammlung.

Sie verlangten ein „neues politisches System“ mit Quoten für Bürgervertreter und ein Mehrheitswahlrecht, das den Bürgern mehr Mitbestimmung sichert.

Staatspräsident Rossen Plewneliew sicherte den Demonstranten einen Dialog bei der Lösung der politischen Krise in dem EU-Land zu. „Wir werden noch in der kommenden Woche zusammenarbeiten“, sagte Plewneliew zu mehreren Hundert Aktivisten vor dem Energieministerium in Sofia. Sie protestierten ebenso wie in der vergangenen Woche gegen das „Monopol“ ausländischer Stromanbieter.

Gegen „Willkür der Banken“

Erstmals gab es vor der Zentralbank in Sofia auch einen Protest gegen die „Willkür der Banken“, die in Bulgarien vor allem Geldinstituten im Ausland gehören. Den Protesten schloss sich auch die nationalistische Partei WMRO an. Zum ersten Mal demonstrierten in Sofia Studenten und Roma.

Die Hauptstadt war von den vielen Protesten und einer Grosskundgebung vor dem Parlament praktisch blockiert. Über das Internet organisierte Aktivisten sperrten wieder die wichtigste Kreuzung an der Adlerbrücke. Kinder spielten Fussball auf den autofreien Fahrbahnen.

Im Unterschied zu den Protesten von 1997 richten sich die Massenaktionen nicht gegen die sozialistische Nachfolgepartei der einstigen Kommunisten, sondern gegen alle Regierungsparteien seit der politischen Wende im Jahre 1989.

Protest gegen ausländische „Monopole“

Die Menschen riefen Sprüche gegen die „Oligarchie des Übergangs“, die sie für ihre Armut verantwortlich machen. Vielerorts lehnten die Demonstranten die vorgesehene vorzeitige Auflösung des Parlaments ab. Die Volksversammlung sollte dringende Probleme noch vor den Neuwahlen anpacken, meinten sie.

Nach dem Rücktritt der bürgerlichen Regierung in der vergangenen Woche auf Druck von Strassenprotesten soll es bis Mitte Mai Neuwahlen geben.

Staatspräsident Plewneliew hatte bereits angekündigt, dass er eine Interimsregierung bilden wird, sollte keine der drei grössten Parteien ein neues Kabinett formieren können. Die Proteste sollen auch am Montag fortgesetzt werden.

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