Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die Einhaltung der Meinungsfreiheit in der Türkei gepocht. Sie habe mit Erdogan ausführlich über die Pressefreiheit gesprochen, sagte Merkel in Ankara.
In der entscheidenden Phase der Aufarbeitung des gescheiterten Putschversuchs vom vorigen Juli sei es wichtig, dass die Meinungsfreiheit und die Gewaltenteilung in der Türkei eingehalten werde – «Opposition gehört zu einer Demokratie dazu», sagte Merkel am Donnerstag vor den Medien nach einem zweieinhalbstündigen Gespräch mit Erdogan.
Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli in der Türkei geht die Regierung verschärft gegen kritische Journalisten und Oppositionspolitiker vor.
Merkel will sich am Abend mit Vertretern der grössten Oppositionsgruppe im Parlament, der Mitte-Links-Partei CHP, sowie der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP treffen. Deutsche Politiker und türkische Verbände forderten von Merkel im Vorfeld, Missstände in der Türkei klar zu kritisieren.
Erdogan verteidigt Präsidialsystem
Erdogan verteidigte nach dem Treffen die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei gegen Kritik. Von einer Aufhebung der Gewaltenteilung, wie von der Opposition befürchtet, könne kein Rede sein.
Im April steht eine Volksabstimmung über die höchst kontroverse Verfassungsänderung an. Die türkische Opposition wirft Merkel vor, mit ihrem Besuch zum aktuellen Zeitpunkt Wahlkampfhilfe für Erdogan zu leisten.
Merkel sprach sich dafür aus, dass der geplante Volksentscheid von Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) begleitet wird. Es müsse alles getan werden, damit die Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit und Vielfalt der Gesellschaft weiter gewahrt bleibe, sagte sie.
Starke Spannungen
Erdogan betonte, dass der Besuch Merkels wichtig für die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sei. Vor allem in der Terrorbekämpfung seien Zusammenarbeit und «Solidarität» unter NATO-Partnern wichtig.
Der Besuch findet vor dem Hintergrund starker Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei statt. Ankara wirft der deutschen Regierung unter anderem mangelnde Solidarität vor und beschuldigt sie, den Anhängern des Predigers Fethullah Gülen Zuflucht zu gewähren. Die türkische Regierung macht den im US-Exil lebenden Gülen für den Putschversuch vom Juli verantwortlich. Zudem wirft Ankara Berlin vor, die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) frei gewähren zu lassen.
Die deutsche Regierung ihrerseits ist besorgt über die Repressionen sowie die Verfolgung kritischer Medienleute und der kurdischen Opposition. Mehr als 120’000 Staatsangestellte wurden nach dem Putschversuch entlassen und mehr als 40’000 Menschen inhaftiert.