Die Ankündigung von Premierminister David Cameron, die Briten über einen EU-Austritt abstimmen zu lassen, hat am WEF hohe Wellen geworfen. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel versuchte, Cameron eine Brücke zu bauen.
Nachdem er am Vortag ein Referendum der Briten bis 2017 angekündigt hatte, bestritt Cameron am Donnerstag am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, Europa den Rücken kehren zu wollen: „Wir setzen uns ein für ein offenes, flexibles und wettbewerbsfähiges Europa.“
Aber einer weitergehenden politischen Union in Europa könne er nicht zustimmen, sagte Cameron. Die Länder Europas hätten ihre eigene Geschichte und Institutionen. Wenn man diese Länder in eine zentralisierte Europäische Union pressen wolle, dann sei er dagegen.
Die Eurozone bewege sich hin zu einer Banken- und Fiskalunion. Der Gemeinschaftswährung werde Grossbritannien wahrscheinlich niemals beitreten. Die Zustimmung zu bestimmten Schritten der Europäischen Union habe in seinem Land abgenommen, sagte Cameron.
Er forderte tiefgreifende Reformen und einen neuen EU-Vertrag. Denn Europa verliere seinen Status als Vorreiter bei Erfindergeist und Wirtschaftskompetenz. „Ganz Europa ist heute überholt in Sachen Innovation und Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Cameron.
Merkel schliesst sich an
Wenige Stunden später machte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede am WEF einen Schritt auf Cameron zu, indem sie sich in vielen Punkten seinen Forderungen anschloss. Merkel plädierte ebenfalls für mehr Wettbewerbsfähigkeit, geordnete Staatsfinanzen und Reformen der EU, um wieder mehr Wirtschaftswachstum zu erreichen. „Konsolidierung der Staatsfinanzen und Wachstum sind zwei Seiten derselben Medaille, um wieder Vertrauen zurückzugewinnen“, sagte Merkel.
Auch der Forderung Camerons nach einer weitergehenden Regulierung der Finanzbranche schloss sich Merkel an. Neben den Banken müssten auch die Schattenbanken reguliert werden.
Die Türen zur Eurozone sollen nach Ansicht von Merkel auch für Nicht-Euro-Staaten offen bleiben. Alle Formen der verstärkten Zusammenarbeit wie die gemeinsame Bankenaufsicht, der Fiskalpakt, die verstärkte wirtschaftspolitische Koordination, seien für Euro-Staaten bindend, aber auch freiwillig zugänglich für Nicht-Euro-Länder. „Wir machen keinen ‚closed shop‘ im Euroraum“, sagte Merkel mit Blick auf Grossbritannien.
Monti warnt vor Erpressung
Weniger Verständnis zeigte der italienische Ministerpräsident Mario Monti für Cameron. Die Forderung des britischen Premiers nach einer EU-Vertragsänderung wies er strikt zurück und warnte vor einer Erpressung der EU-Partner. Mit einem Austritt Grossbritanniens aus der EU werde das Land auch aus dem EU-Binnenmarkt ausscheiden. Damit drohte Monti Cameron mit Nachteilen für britische Unternehmen.
„Das Vereinigte Königreich muss in der EU bleiben“, sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Ansonsten würde es abgekoppelt irgendwo im Atlantik zwischen Europa und den USA treiben.