Am Vortag des EU-Gipfel hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ihr Verständnis für gewisse Forderungen Grossbritanniens geäussert. In der Flüchtlingskrise warnte sie vor zu hohen Erwartungen an das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs.
Die Kanzlerin äusserte sich am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag zum EU-Gipfel in Brüssel. Bei dem am Donnerstag beginnenden Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs steht die Flüchtlingskrise im Mittelpunkt. Merkel setzt sich für eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen ein, stösst damit aber auf Widerstand.
Die Kanzlerin erwartet daher gar nicht, dass es in dem Punkt auf dem Gipfel zu Fortschritten kommt. Beim Treffen gehe es nicht um Kontingente zur Aufnahme von Flüchtlingen, sagte sie. Die EU mache sich ja «lächerlich», wenn sie darüber diskutiere, obwohl die bereits vereinbarte Verteilung von 160’000 Flüchtlingen auf die Mitgliedstaaten «noch nicht einmal ansatzweise» gelungen sei.
Es gehe beim Gipfel vielmehr um die Frage, ob die EU mit ihrem europäisch-türkischen Ansatz zur Bekämpfung der Fluchtursachen und zum Schutz der Aussengrenzen soweit vorangekommen sei, «dass es sich lohnt, diesen Weg weiter zu gehen».
Alternativ müsse dieser Weg aufgegeben und – wie von einigen osteuropäischen Staaten gefordert – trotz aller Konsequenzen für Griechenland und Europa die Grenze des Landes zu Bulgarien und Mazedonien geschlossen werden, sagte Merkel. Sie werde aber ihre Kraft für eine Lösung in Zusammenarbeit mit der Türkei einsetzen.
Verständnis mit Vorbehalten
Zudem geht es beim Gipfel um von Grossbritannien geforderte Reformen, mit denen ein Ausscheiden des Landes aus der EU verhindert werden soll. Merkel stellte sich hinter einige Forderungen des britischen Regierungschefs David Cameron und betonte erneut ihr Anliegen, dass Grossbritannien EU-Mitglied bleibe.
Camerons Forderungen, wie etwa nach mehr Wettbewerbsfähigkeit in der EU, seien in vielen Punkten «berechtigt und nachvollziehbar». Das betreffe auch «das Anliegen der Beseitigung von Fehlanreizen in den Sozialsystemen», sagte Merkel. Jeder EU-Staat müsse das Recht haben, sein Sozialsystem vor Missbrauch zu schützen.
Allerdings bestehe die Bundesregierung darauf, dass die «grundlegenden Errungenschaften» der EU nicht infrage gestellt würden. Dazu gehörten «Freizügigkeit und Nichtdiskriminierung», stellte die Kanzlerin klar. «Diese beiden Prinzipien stehen nicht zur Disposition.»