Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat die USA in der Spionageaffäre erneut kritisiert. Sie will aber an der Kooperation der Geheimdienste festhalten.
«Aus meiner Interessensicht ist es nicht eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, wenn so etwas vorkommt», sagte Merkel im ZDF zu den Ausspähaktivitäten der US-Geheimdienste in Deutschland. Solche Methoden passten nicht ins 21. Jahrhundert.
Zwischen Deutschland und den USA gebe es «grundsätzlich unterschiedliche Ansichten» zur Arbeit der Nachrichtendienste, über die intensiv gesprochen werden müsse. Merkel betonte aber zugleich: «Deutschland profitiert von der Zusammenarbeit, was Terrorismusbekämpfung und andere Dinge anbelangt.»
Fokus «auf die wichtigen Sachen»
Merkel unterstrich, Berichte über eine angebliche Anweisung an die deutschen Sicherheitsbehörden, die Zusammenarbeit mit den US-Diensten auf ein Minimum zu beschränken, seien falsch. «Wir wollen diese partnerschaftliche Zusammenarbeit, aber wir haben hier andere Vorstellungen. Dazu gehört, dass man sich nicht gegenseitig ausspioniert.»
Die Geheimdienste im 21. Jahrhundert müssten sich auf die wichtigen Sachen konzentrieren, betonte Merkel unter Verweis auf zahlreiche Krisenherde in der Welt.
Es sei «nicht ganz so einfach, die Amerikaner davon zu überzeugen, die Arbeit der Nachrichtendienste … jetzt völlig umzukrempeln», räumte Merkel im Interview ein, das am Sonntagabend ausgestrahlt werden soll. Daher müsse man mit den USA «sehr ruhig und beharrlich» erörtern, wo die unterschiedlichen Auffassungen lägen. Deutschland sei bereit, ein guter Partner zu sein.
Festhalten an Freihandelsverhandlungen
Eine Unterbrechung der Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Freihandelsabkommen lehnte Merkel strikt ab. «Davon halte ich gar nichts.» Das Abkommen sei in deutschem Interesse. «Als Exportnation profitieren wir davon, wenn wir ein solches Freihandelsabkommen hinbekommen.» Deutschland wolle in den Gesprächen aber auf Datenschutz sowie auf kulturelle Identität achten.
Zuvor hatte die US-Regierung mit deutlicher Verstimmung auf die harsche Kritik aus Berlin reagiert. Das Thema solle nicht auf dem offenen Markt, sondern intern zur Sprache gebracht werden, forderte der Sprecher des Weissen Hauses, Josh Earnest.
«Alle Differenzen, die wir haben, sind am effektivsten über bestehende interne Kanäle zu lösen, nicht über die Medien.» Zugleich bestätigte der Sprecher, dass Obama und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel seit über einer Woche nicht mehr miteinander gesprochen hätten.
«Nicht die Reaktion eines Erwachsenen»
Zugleich gab es scharfe Worte von US-Abgeordneten. Der Rauswurf des CIA-Stationsleiters in Berlin sei ein «Wutanfall» der Bundesregierung, meinte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Mike Rogers.
«Das ist Etwas, was wir von den Russen, den Iranern und Nordkoreanern erwarten, nicht etwas, was wir von den Deutschen erwarten», sagte der Republikaner dem TV-Sender CNN am Freitag. Die US-Geheimdienste hätten den deutschen Diensten Informationen geliefert, die das Leben von Deutschen gerettet hätten. Der Rauswurf des CIA-Mannes «scheint schlichtweg nicht wie die Reaktion eines Erwachsenen».