Die erste Minute von Meryl Streep ist die schönste: Frau Magret Thatcher verlangt im Tante-Emma-Laden nach einer Tüte Milch, fragt – leicht verblüfft – ein zweites Mal nach dem Preis, klaubt aus ihrem Geldbeutel eine Münze, den jungen Briten aus Afrika hinter ihr kaum beachtend, der am Handy etwas Dringendes bespricht – fast gibt sie seinem Drängeln nach, ehe sie das Geld auf den Ladentisch legt, die Milch greift und – in kürzesten Schritten – den Laden verlässt. Was für ein eingängiges Bild. Da kauft eine Frau Milch, die einst über alle bestimmt hat – Sie hat heute bestimmt nicht mehr alle.
Streep Thatcher
Die erste Minute von Meryl Streep ist die schönste: Frau Magret Thatcher verlangt im Tante-Emma-Laden nach einer Tüte Milch, fragt – leicht verblüfft – ein zweites Mal nach dem Preis, klaubt aus ihrem Geldbeutel eine Münze, den jungen Briten aus Afrika hinter ihr kaum beachtend, der am Handy etwas Dringendes bespricht – fast gibt sie seinem Drängeln nach, ehe sie das Geld auf den Ladentisch legt, die Milch greift und – in kürzesten Schritten – den Laden verlässt. Was für ein eingängiges Bild. Da kauft eine Frau Milch, die einst über alle bestimmt hat – Sie hat heute bestimmt nicht mehr alle.
Muss man sich deshalb den ganzen Film antun?
1.Nein: Wenn man die Verfilmung des Handbuches für Geriatrie Teil 1 nicht sehen will: Besucherin räumt Wohnung auf. Besucherin führt Zwiegespräch mit ihrem Verstorbenen Gatten. Besucherin wird von Tochter betreut. Das ist alles rührselig, und – wäre für sich genommen sogar interessant – für Rentnerinnen.
2. Nein: Unerträglich wird der Film durch die minutenlangen Glorifizierungen einer gewieften Politikerin durch Bildgewalt: Da betritt die junge Margret als junge Abgeordnete zu Militärmusik die geheiligten des House of Parliament, da lässt sich die Ikone mit sausenden Kameras um sich herum von zwei Stimmbildnern zu einer Diva-Stimme verhelfen, da tritt sie schliesslich von Callas untermalt durch den Rosenregen aus der Downing Street.
3. Nein: Pathos um eine Einzelgängerin macht aus der Einsamkeit der Mächtigen ein Rührspiel. Anstatt eine Meisterin der Macht im Team zu zeigen, sehen wir eine Alleintäterin, die das Grosse Britannien allein regiert haben soll, den Falklandkrieg ganz allein angezettelt, durchgehalten und gewonnen haben soll, die ganz allein London zu einem Bankenparadies machte, es ganz allein von gewerkschaftlichen Kräften befreite, und schliesslich auf die hinteren Plätze der Gender-Statistiken absinken liess, weit hinter Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Deutschland, Holland und – der Schweiz.
4. Nein. Weil der Film nur wenig Biografie und viel Verdämlichung bietet: Margret bildet sich ein, ihr Mann sei noch da, auch nach dessen Tod, und man darf annehmen, dass sie es auch vor dessen Tod schon getan hat. Das ist – derart verniedlicht – für den putzig gespielten Gatten vielleicht traurig. An uns geht es vorbei.
5. Ja! Jaa!!! Für alle, die eine der grossen Schauspielerinnen bei einer Etüde beiwohnen wollen: Die Streep zeigt sich als grandiose Menschenbeobachterin. Sie täuscht über alle Schwächen des Buches hinweg: Wie sie den Arzt über ihre Gesundheit belügt ist ebenso grosse Schauspielkunst, wie die Auseinandersetzungen mit Männern über ihr Aussehen. Nur bei den aus Untersicht gefilmten politischen Reden, versagt auch die Streep gegen eine Riefenstahl-Ähstetik. Spätestens da muss man sich fragen, wie hat sich bloss Meryl Streep in diesen pathetischen Schinken verirrt?