Der russische Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski ist in der Schweiz. Er sei am Sonntag mit dem Zug aus Berlin zum Schulbeginn seiner beiden Söhne eingereist, teilte die Kommunikationsagentur Creafactory in Zug mit.
Chodorkowski wurde auf der Reise von drei seiner vier Kinder, den beiden Söhnen Gleb und Ilja und der Tochter Anastasia, und seiner Frau Inna begleitet, wie auf Bildern des Schweizer Fernsehens zu sehen war. Um der grossen Medienöffentlichkeit zu entgehen, fuhr er von Berlin über den Umweg Hannover in die Schweiz.
«Das ist das erste Mal seit zehn Jahren, dass ich mit meiner Frau und meiner Familie zusammen sein kann», sagte Chodorkowski. «Meine beiden jüngsten Söhne gehen in der Schweiz zur Schule und bald beginnt der Unterricht», erklärte er seine Reise.
Visum für drei Monate
Der Ex-Ölunternehmer war kurz vor Weihnachten nach zehn Jahren Haft von Russlands Staatschef Wladimir Putin begnadigt worden und überraschend nach Berlin ausgereist. Die Familie hatte dort die Weihnachtstage und den Jahreswechsel wiedervereint verbracht.
Chodorkowski stellte gleichzeitig bei der Schweizer Botschaft ein Gesuch um ein Schengen-Visum, das ihm vor rund einer Woche bewilligt wurde. Es ermöglicht einen Aufenthalt im Schengen-Raum während dreier Monate. Inna und die Zwillingssöhne leben in der Schweiz, die Kinder gehen dort zur Schule. Die Tochter Anastasia lebt in Moskau.
«In der Frage, ob er künftig permanent in der Schweiz wohnen möchte, hat Herr Chodorkowski bisher noch keine Pläne gefasst», schrieb die Kommunikationsagentur. Sie betont, dass Chodorkowski «beim privaten Besuch mit seiner Familie nicht gestört werden möchte».
Geld in der Schweiz
Die Familie danke der Schweiz für die Möglichkeit, Zeit miteinander verbringen zu können, schrieb Creafactory weiter. Chodorkowski sei ausserdem dankbar «für die klare Haltung der Schweizer Behörden während der langen Jahre seiner ungerechtfertigten Haft».
Der Kreml-Kritiker, der als Ölunternehmer zum reichsten Mann Russlands aufgestiegen war, hat Schweizer Medien zufolge weiterhin einen Teil seines Vermögens auf Schweizer Konten.
Im Rahmen eines Rechtshilfegesuchs aus Russland hatte die Bundesanwaltschaft 2004 ein Vermögen von 6,2 Milliarden Franken von Chodorkowskis Yukos-Konzern auf fünf Banken in der Schweiz eingefroren. Gegen diese Massnahme reichten Chodorkowski und seine Mitstreiter erfolgreich Beschwerde ein.
Das Bundesgericht entschied, dass das Einfrieren der Gelder gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstosse und hob die Blockade auf. Der russische Antrag auf Rechtshilfe wurde vom Bundesgericht 2007 definitiv verweigert.
Einsatz für andere politische Gefangene
Trotz seiner Begnadigung kann Chodorkowski nach eigenen Angaben nicht nach Russland zurückkehren, da ihn dort eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet rund 500 Millionen Franken erwartet. Er will sich aber nicht an Putin rächen oder in die Politik gehen.
Gegenüber SRF wiederholte Chodorkowski jedoch, dass er sich auch von der Schweiz aus für die Befreiung von politischen Gefangenen in Russland einsetzen will. Er glaube nicht, dass das Engagement zur Befreiung ungerechtfertigt Eingesperrter ein politisches Engagement sei.
Er habe eine Verantwortung gegenüber der Zivilgesellschaft: «Man kann doch nicht ruhig leben, wenn man weiss, dass in Gefängnissen politische Gefangene schmoren.»
Der frühere Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos war 2003 festgenommen und zwei Jahre später wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt worden. Ihm drohten in Russland noch weitere Verfahren, so dass ein Ende seiner Haft nicht absehbar war.
Die Gerichtsverfahren gegen ihn waren vom Westen als politisch motiviert kritisiert worden. Noch immer sind ehemalige Geschäftspartner Chodorkowskis in Russland inhaftiert.