Sechs Wochen nach der Entführung von mehr als 200 Schülerinnen in Nigeria hat das Militär nach eigenen Angaben ihren Aufenthaltsort ausfindig gemacht. Eine gewaltsame Befreiungsaktion ist aber nicht geplant, weil sie das Leben der Mädchen in Gefahr bringen kann.
Das sagte Luftwaffenchef Alex Badeh am Montag in der Hauptstadt Abuja. «Niemand soll sagen, das nigerianische Militär wisse nicht, was es tut. Wir können aber nicht losziehen und sie bei dem Versuch, sie zu retten, töten», so Badeh zum Schicksal der mehr als 200 Mädchen in den Händen der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram.
Hohe Offiziere verwiesen gegenüber der «Premium Times» auf drei Lager von Boko Haram in Madayi, Dogon Chuku und Meri nahe der Stadt Kukawas im Nordosten in der Umgebung des Tschadsees. Nigerianische Militärs befürchten demnach, die Islamisten könnten bei einem Angriff der Truppen verschiedene Fluchtwege nach Kamerun oder Niger nutzen.
Die Schülerinnen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren waren am 14. April in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias verschleppt worden. Die Islamisten drohten, die Mädchen zu verkaufen, wenn die Regierung gefangene Gruppenmitglieder nicht freilasse.
Verhandlungen bisher abgelehnt
Präsident Goodluck Jonathan hat bisher öffentlich jegliche Verhandlung mit den Entführern abgelehnt. Allerdings war lokalen Medienberichten zufolge vergangene Woche eine hochrangige Kommission der Regierung im Bundesstaat Borno, die angeblich auch Verhandlungsoptionen mit den Terroristen prüfen sollte. Medienberichte über bereits laufende Verhandlungen wurden dementiert.
Die Regierung habe im letzten Augenblick einen Rückzieher gemacht und den Austausch von 50 Mädchen gegen 100 inhaftierte Boko-Haram-Mitglieder abgelehnt, berichtet die Zeitung «Oshun Defender».
Proteste gegen Behörden
Die Entführung der überwiegend christlichen Mädchen hat weltweit Empörung ausgelöst. Auch die Wut der Angehörigen auf die Behörden und die Regierung war in den vergangenen Wochen stetig gewachsen.
Die Betroffenen werfen den Behörden Untätigkeit vor und versuchen immer wieder, mit Demonstrationen den Druck zu verstärken. In der Hauptstadt Abuja gab es am Montag erneut einen Protestmarsch.
Luftwaffenchef Badeh versicherte den Demonstranten, dass die Behörden alles täten, um die Mädchen zu finden. «Wir arbeiten daran. Wir werden die Mädchen zurückbringen», versprach er.
Nach langem Zögern akzeptierte Präsident Jonathan das Angebot internationaler Hilfe. Seitdem stehen Experten unter anderem aus den USA, aus Frankreich, Grossbritannien und Israel den nigerianischen Sicherheitsbehörden zur Seite. Auf der Suche nach den Mädchen wurden auch US-Suchflugzeuge eingesetzt.
Wieder Tote bei Boko-Haram-Angriff
Bei Angriffen von Boko Haram wurden am Dienstag im Norden Nigerias mindestens 35 Menschen getötet. Wie die Zeitung «Vanguard» unter Berufung auf Polizeiquellen berichtete, hatten die Terroristen Polizeistationen und militärische Kontrollpunkte in den Bundesstaaten Borno und Yobe attackiert und teilweise auch zerstört.
Boko Haram kämpft im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias für einen islamischen Gottesstaat. Seit Jahren verübt die Gruppe blutige Anschläge auf Behörden und Soldaten, aber auch auf Kirchen, Schulen und ganze Dörfer.