Wer Vollzeit arbeitet, muss von seinem Lohn auch leben können. Für die Urheber der Mindestlohn-Initiative ist dies nicht nur ein Gebot der Menschenwürde, sondern auch der wirtschaftspolitischen Vernunft.
Das Volksbegehren des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), über das am 18. Mai abgestimmt wird, verlangt einen landesweiten gesetzlichen Mindestlohn. Dieser soll bei 22 Franken pro Stunde liegen, was rund 4000 Franken im Monat entspricht. Zusammen mit den Gewerkschaften Unia, SYNA, Syndicom und SIT haben Vertreter des SGB am Donnerstag den Abstimmungskampf für die Initiative lanciert.
330’000 Personen in der Schweiz arbeiteten für Löhne unter 22 Franken pro Stunde, ein Drittel davon verfüge über eine abgeschlossene Berufslehre, sagte SGB-Präsident Paul Rechsteiner. «Sie leisten tagtäglich qualifizierte Arbeit, ohne dass sie von ihrem Lohn auch anständig leben können.» Wenn sie vom Staat unterstützt werden müssten, sei das nichts anderes als eine Lohnsubvention zugunsten von Arbeitgebern, die schlechte Löhne zahlten.
Frauen besonders betroffen
Besonders betroffen von Tieflöhnen sind Frauen. 12 Prozent arbeiten für einen Tieflohn, was ein dreimal grösserer Anteil als bei den Männern ist. Massgeblich dafür verantwortlich ist laut Rechsteiner die Lohndiskriminierung der Frauen – im Detailhandel verdienten sie im Durchschnitt 630 Franken weniger für die gleich Arbeit. Dagegen seien Mindestlöhne die wirksamste Massnahme.
SGB-Chefökonom Daniel Lampart warf dem Bundesrat Angstmacherei vor, wenn er behaupte, dass Mindestlöhne zu mehr Arbeitslosigkeit führten. Er verwies auf die Erfahrungen im Gastgewerbe, in welchem die Arbeitslosigkeit nach der Einführung von Mindestlöhnen 1998 sogar gesunken sei. Auch die OECD sei zum Schluss gekommen, dass kein Zusammenhang zwischen Mindestlöhnen und der Arbeitslosenrate nachweisbar sei.
Ein einziger robuster Befund zeige sich in Studien zu dem Thema: «Mindestlöhne erreichen ihr Ziel – sie führen zu höheren Löhnen bei den Betroffenen», sagte Lampart.
Bundesrat und Parlament empfehlen die Initiative zur Ablehnung. Ein staatlich festgelegter Mindestlohn sei das falsche Mittel, um Armut zu bekämpfen, hatte Bundesrat Johann Schneider-Ammann am Dienstag vor den Medien in Bern argumentiert. Für ihn steht das Funktionieren des Schweizer Arbeitsmarkts auf dem Spiel. Arbeitsplätze könnten verschwinden, was jenen schade, welchen die Initiative eigentlich helfen wolle.