Kinder und minderjährige Asylbewerber haben besondere Schutzbedürfnisse. Die kantonalen Sozialdirektoren veröffentlichten deshalb Empfehlungen für den Umgang mit ihnen. Ziel ist eine Harmonisierung unter den Kantonen.
Die Empfehlungen der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK) sehen Minimalstandards vor. Sie sollen in der Unterbringung, Betreuung und in der gesetzlichen Vertretung unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender eine gewisse Harmonisierung der kantonalen Regelungen bringen.
Unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche hätten aufgrund ihres Alters sowie des Umstandes, dass sie ohne Sorgeberechtigte in der Schweiz seien, besondere (Schutz-)Bedürfnisse, teilte die SODK am Freitag zum Abschluss der zweitägigen Konferenz in Scuol im Unterengadin mit.
Keine «de-facto-Erwachsene»
Die Empfehlungen seien vom Grundsatz geleitet, dass minderjährige Asylbewerber in erster Linie minderjährige Personen seien und nicht wie «de-facto-Erwachsene» behandelt werden sollten. Bei allen staatlichen Massnahmen sei das übergeordnete Kindesinteresse vorrangig zu wahren.
Unbegleitete Minderjährige sollen bei Verwandten, in Pflegefamilien, in speziellen Zentren, in Wohngruppen oder sozialen Einrichtungen untergebracht werden. Nach der Zuweisung in die Kantone ist für sie so rasch als möglich eine Beistand- oder Vormundschaft zu errichten. Die Ernennung einer Vertrauensperson sei nicht alternativ, sondern als temporäre Massnahme zu sehen.
Nicht ideal oder ungenügend
Weiter sind Minderjährige laut SODK über die Volljährigkeit hinaus und bis zum Abschluss der Erstausbildung oder dem Erreichen der Selbständigkeit sozialpädagogisch zu begleiten.
Die Anzahl unbegleiteter Kinder und minderjähriger Jugendlicher, die in der Schweiz um Asyl nachsuchen, stieg letztes Jahr auf 2736. Im Jahr 2014 waren 795 Gesuche eingegangen.
Dass die SODK mit ihren Empfehlungen einem Bedürfnis nachkommt, bestätigt die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Die Betreuung von Minderjährigen sei in einzelnen Kantonen nicht ideal oder gar ungenügend, sagte Mediensprecher Stefan Frey auf Anfrage.
Probleme gebe es vor allem bei der Unterbringung. Unbegleitete Kinder oder Jugendliche würden in allgemeinen Durchgangszentren untergebracht. Das sei unhaltbar.
Die Flüchtlingshilfe erwartet von der Politik, dass die Bedingungen für die unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden auf einem einheitlichen, der Kinderrechtskonvention entsprechenden Standard gehalten werden. Integration in Schule und Beruf habe Priorität.
Diskussion mit Bundesrat Berset
In einem parallelen Prozess verabschiedete die SODK Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendpolitik in den Kantonen. Die Kinder- und Jugendpolitik wird als Querschnittaufgabe bezeichnet. Ziel sei es, allen Kindern und Jugendlichen die bestmögliche Entfaltung der eigenen Persönlichkeit auf allen Ebenen zu ermöglichen.
Gast bei den Sozialdirektoren im Unterengadin war Sozialminister und Bundesrat Alain Berset. Im Rahmen des «Nationalen Dialogs Sozialpolitik Schweiz» sei über die Weiterentwicklung der IV, die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV sowie über familienpolitische Herausforderungen diskutiert worden.
Ausserdem teilte die SODK mit, der Vorstand habe sich für die Asylgesetzrevision zur Beschleunigung der Verfahren ausgesprochen. Abgestimmt über die Revision wird am 5. Juni.