Die Europäische Union und Russland bleiben in Sachen Ukraine uneins. Die EU wirft Moskau unerlaubten Druck auf Kiew vor, Russland beschuldigt die EU der Einmischung in innere Angelegenheiten und bietet der Ukraine mehrere Abkommen an. Die EU-Aussenminister sind verärgert.
Die krisengeschüttelte Ukraine wendet sich drei Wochen nach ihrem Verzicht auf ein Partnerschaftsabkommen mit der EU verstärkt dem Nachbarland Russland zu. Ungeachtet der prowestlichen Proteste in Kiew wollen der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch am (morgigen) Dienstag in Moskau eine engere Zusammenarbeit vereinbaren.
Ein dickes Paket an Dokumenten liege für die russisch-ukrainischen Regierungskonsultationen bereit, teilte der Kreml überraschend mit. Demnach soll es aber nicht um eine Zollunion gehen.
Der russischen Regierung zufolge stand ein Kredit für die Ukraine auf der Gesprächsagenda. Zudem sollen Projekte in der Energie- und in der Agrarwirtschaft sowie im Verkehr und in der Raumfahrt auf den Weg gebracht werden. Russland hatte der Ukraine dies als Alternative für den Verzicht auf eine Partnerschaft mit der EU angeboten.
Aussprache in Brüssel
Bei einem Treffen der Aussenminister der Europäischen Union in Brüssel, an dem auch der russische Amtskollege Sergej Lawrow teilnahm, warfen die EU-Ressortvertreter Moskau vor, wirtschaftlichen und politischen Druck auf die Ukraine auszuüben.
«Das hat Auswirkungen auf unsere Beziehungen», sagte der schwedische Aussenminister Carl Bildt, «denn wir haben erlebt, dass Russland eine ziemlich breite Propagandakampagne auf der Grundlage von Fehlinformationen und manchmal blanken Lügen gegen das Assoziierungsabkommen begonnen hat.» Auch andere Teilnehmer des Treffens sahen das Verhältnis zu Moskau getrübt.
Beide Seiten sprachen von «offenen» Gesprächen, sehr harmonisch dürfte es hinter den Kulissen am Treffen aber nicht zugegangen sein. EU-Diplomaten sagten, dass sich sowohl die EU-Aussenminister als auch Lawrow nicht mit Kritik am Gegenüber zurückgehalten hätten.
Dennoch wollte die EU sowohl Russland, als auch der Ukraine nicht die Türe zuschlagen. «Der Vorschlag der EU bleibt auf dem Tisch», sagte Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius nach dem Treffen. Und die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton sagte: «Ich glaube nicht, dass die Krise in der Ukraine negative Folgen für unsere Beziehungen zu Russland haben sollte.»
Regierungsumbildung gefordert
Die geplante engere Zusammenarbeit mit Russland und Janukowitschs Verzicht auf eine EU-Partnerschaft sind Auslöser für die seit Wochen andauernden Proteste von Regierungsgegnern in der Ukraine. Auf dem Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Kiew harren trotz Schnees und Kälte dauerhaft tausende Demonstranten aus.
Unter dem Druck der proeuropäischen Demonstrationen zeigen sich mittlerweile Risse innerhalb der Regierungspartei. Fraktionsabgeordnete der «Partei der Regionen» forderten am Montag Regierungschef Mykola Asarow zu einer umfassenden Kabinettsumbildung auf. 90 Prozent der Regierung müssten ausgetauscht werden, sagte die Abgeordnete Anna German nach einem Treffen von Fraktionsmitgliedern mit Asarow. «Es werden sicher Konsequenzen gezogen», sagte sie. Ein Rücktritt Asarows sei aber nicht erörtert worden.
Janukowitschs Vertreter im Parlament, Juri Miroschnitschenko, sagte vor Journalisten, dass «entscheidende Schritte» notwendig seien. Asarow habe eine Arbeitsgruppe vorgeschlagen, Einzelheiten müssten noch erarbeitet werden.