Ein Mittelmeer-«Zyklon» hat auf der italienischen Insel Sardinien mindestens 18 Menschen in den Tod gerissen. Rettungskräfte suchten am Dienstag verzweifelt nach mehreren Vermissten, sie kamen wegen umgestürzter Bäume und unterspülter Strassen aber nur langsam voran.
In der Nähe von der besonders betroffenen Stadt Olbia im Nordosten der Insel starben drei Mitglieder einer Familie, als ihr Auto unter einer einstürzenden Brücke begraben wurde. Eine Frau und ihre Tochter wurden nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa tot in ihrem Wagen gefunden, der in Olbia von Wassermassen fortgerissen worden war.
Ein Polizist wurde getötet, als er mit drei Kollegen einen Krankenwagen eskortierte und das Polizeiauto von den Fluten mitgerissen wurde. Seine Kollegen konnten gerettet werden.
Überschwemmte Strassen
Die von den italienischen Medien wegen ihrer verheerenden Auswirkungen als «Zyklon» bezeichnete Sturmfront «Cleopatra» traf Sardinien am Montag mit voller Wucht. Zahlreiche Flüsse traten über die Ufer, regelrechte Springfluten überschwemmten Strassen und ganze Orte. Hunderte Einwohner flohen in Notunterkünfte, in ihre überschwemmten Häuser können sie vorerst nicht zurück.
Häuser, Autos und Brücken wurden zerstört, die Stromversorgung brach teilweise zusammen. Stellenweise gingen nach Angaben des Wetterdienstes 440 Millimeter Regen innerhalb kürzester Zeit nieder, der Durchschnittswert in Italien liegt bei tausend Millimeter pro Jahr.
Das im Sommer bei Touristen sehr beliebte Olbia wurde nahezu komplett überschwemmt. Betroffene wurden in nahegelegenen Hotels oder Sporthallen untergebracht. Auf Facebook gründete sich spontan die Gruppe «Öffnen wir unsere Häuser für unsere Mitbürger», in der viele Menschen Unterkünfte anboten.
Um schnelle Nothilfe zu ermöglichen, erklärte Italiens Regierungschef Enrico Letta den Notstand. «Das ist eine unvorstellbare Tragödie», erklärte Letta. Er kündigte Soforthilfe in der Höhe von 20 Millionen Euro an.
Gefahr auch auf dem Festland
Von den schweren Regenfällen ist nicht nur Sardinien betroffen. Experten des Umweltschutzverbands Legambiente warnten am Dienstag, dass in 5581 Gemeinden in Italien Erdrutsch- und Überschwemmungsgefahr herrsche. Das entspricht 70 Prozent der Gemeinden.
Aus einem Bericht des Landwirtschaftsverbands Coldiretti geht hervor, dass 81 Prozent des Gebiets auf Sardinien bedroht sind. «Die Natur rächt sich, wenn sie misshandelt wird. In 77 Prozent der Gemeinden sind Wohnungen in Gebieten errichtet worden, die vom hydrogeologischen Standpunkt aus gefährlich sind», sagte ein Sprecher von Legambiente.
Italien sei ein Land, wo man nur unter dem Druck von Notsituationen Massnahmen setze, klagten die Umweltaktivisten. Der Staat müsste sich jedoch mit ganzer Kraft dafür einsetzen, weitere Desaster durch eine gezielte Umweltpolitik zu verhindern. Nicht nur auf nationaler, sondern auch auf lokaler Ebene müsse Umweltschutz zur Priorität werden.
Italien war in den vergangenen Jahren immer wieder von schweren Überschwemmungen und Erdrutschen betroffen. Das schlimmste Unglück ereignete sich im Mai 1998. Damals kamen 137 Personen in der süditalienischen Ortschaft Sarno südlich von Neapel ums Leben, als nach sintflutartigen Regenfällen eine Schlammlawine Dutzende Gebäude unter sich begrub.