In der Affäre um den Badener Stadtammann und Grünen-Nationalrat Geri Müller sind weitere Details bekannt geworden. Josef Bollag, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Baden, stand in Kontakt mit Müllers Chat-Bekanntschaft. Bollag hatte Müller wiederholt wegen dessen Haltung zu Israel kritisiert.
Der Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister sagte im einem Interview auf Blick online, er habe die Frau, die mit Grünen-Nationalrat Geri Müller im Chat-Kontakt stand, über die Vermittlung von Josef Bollag am 22. Mai in Bern zu einem Gespräch getroffen. Er sei gebeten worden, die Frau zu treffen, da sie eine Stelle als Lehrerin suche.
«Herr Bollag hat kurz erwähnt, dass die Frau offenbar in einem besonderen Verhältnis zu Geri Müller steht – und er hat auch das Thema Sexting erwähnt», sagte Pfister im Interview weiter. Beim Treffen habe die Frau ihre Beziehung zu Müller dargestellt.
Er habe den Eindruck erhalten, dass die Stellensuche nur ein Vorwand für das Meeting gewesen sei. Pfister riet der Frau nach eigenen Angaben, sich einen Rechtsbeistand zu nehmen. Er habe noch zwei Mal von der Frau eine SMS-Mitteilung erhalten.
«Müller fraternisiert mit Terroristen und Antisemiten»
Im Wahlkampf um das Amt des Stadtammanns in Baden im Januar 2013 hatte Bollag dem damaligen Kandidaten Geri Müller dessen Haltung zur Hamas und eine antisemitische Position vorgeworfen.
In einem Leserbrief in der «Aargauer Zeitung» kritisierte Bollag, dass Müller «mit Terroristen und Antisemiten fraternisiert, für sie Hilfestellung leistet und sich sogar öffentlich für deren Ziele einsetzt». Müller hatte nach seiner Wahl von einer «Schlammschlacht» gesprochen.
Müller kann nicht zum Rücktritt gezwungen werden
Müllers Zukunft als gewählter Badener Stadtammann bleibt weiterhin offen. Er kann nicht zum Rückritt gezwungen werden. Der Stadtrat könnte ihm jedoch die Ressorts wegnehmen und ihn faktisch kaltstellen – wie im Fall von Jean-Charles Legrix in La-Chaux-de-Fonds NE.
Müller ist seit Bekanntwerden der Nacktselfie-Affäre vorläufig von seinen Führungs- und Repräsentativaufgaben als Stadtammann befreit. Mit dem Entscheid vom Montag will die sieben Mitglieder zählende Exekutive dem Stadtammann nach eigenen Angaben Zeit einräumen, «sich voll auf die Klärung der Situation zu konzentrieren».
Die drei bürgerlichen Stadtparteien CVP, FDP und SVP forderten Müllers Rücktritt. Seine Autorität als Stadtammann und Repräsentant für die Stadt sei nicht mehr ausreichend gegeben. Er sei in seiner Funktion «nicht mehr tragbar».
Der 53-jährige Müller liess bislang offen, ob er wegen der Affäre als Stadtammann und als Nationalrat der Grünen zurücktreten will. Die Ausübung des Amtes als Stadtammann macht er vom Vertrauen der Bevölkerung abhängig. Für die Grünen Aargau ist es nach eigenen Angaben kein Thema, Müller als Nationalrat das Vertrauen zu entziehen.
Amtszeit dauert faktisch bis 2017
Die Amtszeit von Müller, der im Herbst 2013 als Stadtammann wiedergewählt worden war, dauert bis 2017. Müller könne nicht zum Rücktritt gezwungen werden, sagte Martin Süess vom Rechtsdienst der Gemeindeabteilung im kantonalen Departement Volkswirtschaft und Inneres auf Anfrage.
Das Amt als Stadtammann könne einer gewählten Person im Aargau nur bei relativ gravierenden Vorfällen entzogen werden. Es gebe auch keine Vorgaben, wie lange die provisorische Situation in Baden andauern könne.
Erste Einvernahmen
Am Donnerstag fanden bei der Staatsanwaltschaft Bern-Seeland erste Einvernahmen statt. Die Behörde machte allerdings keine Angaben über den Stand ihrer Ermittlungen in der Affäre Müller. «Wir werden am Schluss des Verfahrens mitteilen, was das Verfahren ergeben hat», sagte Sprecher Christof Scheurer auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Geri Müllers Anwalt hatte am 14. August bei der Staatsanwaltschaft Bern-Seeland eine Strafanzeige gegen die Chat-Bekanntschaft des Badener Stadtammanns und Grünen-Nationalrats wegen Nötigung eingereicht. Die Berner Justiz hatte den Eingang der Anzeige bestätigt, ebenso eine Hausdurchsuchung. Die Frau ist im Berner Jura wohnhaft.