Der Erfolgsmoment mit der Schweiz gegen Lettland könnte für Josip Drmic auch im Klub hilfreich sein. Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl spricht dem Stürmer nach wie vor das Vertrauen aus.
Er ist mit guten Gefühlen und als Schweizer Matchwinner in den Borussia-Park zurückgekehrt. Josip Drmics entscheidenden Treffer in der WM-Ausscheidung gegen Lettland (1:0) haben sie in Mönchengladbach natürlich registriert. Beim Bundesligisten freuten sich die Verantwortlichen über die positiven Nachrichten aus Genf. Sie kennen die Krankenakte des Angreifers im Detail, sie wissen, wie sehr ihm der knapp neunmonatige Ausfall im vergangenen Jahr zugesetzt hat.
Im Sommer 2015 hatte der Klub so viel Geld wie selten in einen ausländischen Hoffnungsträger investiert. Für rund zehn Millionen Euro übernahm der VfL den bei Bayer Leverkusen überzähligen Stürmer. Mit Drmic, der in seiner ersten Bundesliga-Saison in Nürnberg 17 Treffer markierte, wollten die Borussen bei ihrem erstmaligen Champions-League-Auftritt positive Schlagzeilen generieren.
Es kam anders. Drmics Fürsprecher und Coach Lucien Favre quittierte nach dem schlechtesten Saisonstart der Vereinsgeschichte am 5. Spieltag den Dienst. Nachfolger André Schubert inszenierte die Wende – aber mehrheitlich ohne den Schweizer Nationalspieler. Das Leihgeschäft mit Hamburger SV sollte Entspannung bringen, stattdessen verletzte sich Drmic schwer am Knie. Kein Aufbruch, sondern ein Knorpelschaden, 273 Tage Pause.
Die bisherigen Zahlen beinhalten wenig gute Argumente für Drmic, sie machen ihn angreifbar.
Hinter der Jubelszene am vergangenen Samstag im Stade de Genève verbergen sich unzählige Facetten. Tränen, Enttäuschung, Zweifel, Zuversicht, Entschlossenheit, Zuspruch. «Gelitten haben wir alle», meldet Max Eberl aus Deutschland. Drmic habe sich mit dem Treffer in der Nationalmannschaft selber für seine harte Aufbauarbeit belohnt. Für den Sportdirektor ist klar: «Ein Tor steht bei einem Stürmer immer über allem. Er weiss jetzt: ‹Hey, ich bin wieder da.›»
Der Borussia-Experte der «Rheinischen Post» hat vor der Nationalteampause im Zusammenhang mit Drmic zu einer umfangreichen Analyse ausgeholt und titelte: «Herr Drmic sucht das Glück.» Die Zeitung listete Fakten und Ansprüche auf, die einer im Sturm mit einem üppig dotierten Vertrag zu erfüllen habe. Es sei an der Zeit, sich zum empfehlen. «Denn zur neuen Saison werden Max Eberl und Dieter Hecking das Kader überdenken, auch in der Offensive. Bis dahin sollte er sich positioniert haben.»
In den 20 Monaten seit seiner Ankunft am Niederrhein hat er nur 23 von 59 möglichen Bundesliga-Partien bestritten; erst ein Tor gelang ihm dabei für Mönchengladbach. Die bisherigen Zahlen beinhalten wenig gute Argumente für Drmic, sie machen ihn angreifbar. Eberl hingegen stellt sich bedingungslos vor den Schweizer: «Wir haben keine Zweifel. Er war über acht Monate verletzt und ein halbes Jahr ausgeliehen – Josip konnte hier noch nicht wirklich zeigen, was ihn eigentlich auszeichnet.»
«Ich bin zu 100 Prozent von Josip überzeugt!», betont Sportdirektor Max Eberl.
Eberl relativiert die mediale Kritik: «Wenn man in Nürnberg in einer Saison 17 Tore schiesst, besitzt man eine gewisse Qualität. Und vergessen wir eines nicht: Josip ist mit 24 immer noch ein junger Spieler, der aufgrund einer Knieverletzung ein Jahr verloren hat.» Und der Manager hat nicht vergessen, dass Granit Xhaka vor seinem Aufstieg zum Captain und späteren Transfer zu Arsenal in die oberste Premier-League-Kategorie zunächst ebenfalls einige zeitraubende Schwierigkeiten zu beheben hatte: «Granit hat zwei Jahre gebraucht, um da anzukommen, wo er bei uns am Ende stand.»
Den Spekulationen der deutschen Journalisten hält Eberl im Telefonat mit der Nachrichtenagentur sda ein unmissverständliches Statement pro Drmic entgegen: «Ich bin zu 100 Prozent von Josip überzeugt!» Er sei sicher, dass er «für uns noch der Spieler wird, den wir uns alle wünschen». Drmic müsse nun eine ideale Balance finden. Englische Wochen lägen noch nicht drin, die Belastung sei auf die Stabilität im Knie auszurichten. «Er muss wieder lernen, sich in den Zweikämpfen mutig und kräftig zu wehren, das Vertrauen in seinen Körper zu finden.»
Trainer Hecking, vor seiner Trainerlaufbahn einst selber vom Torinstinkt abhängig, will Drmic Zeit und Raum einräumen, wieder auf höchstem Level Fuss zu fassen. In den kommenden Wochen stehen in Folge die Begegnungen mit den Teams der Ränge 3 bis 7 und am 25. April der Cup-Halbfinal gegen Eintracht Frankfurt an. Mit Drmic in einer Hauptrolle? Max Eberl schmückt die Erwartungshaltung nicht aus: «Er sollte einfach wieder ein Torjäger werden.»