Ein Molekül aus Hopfen stärkt den «Kitt» zwischen Darmwandzellen und damit die Barriere gegen Giftstoffe und Bakterien. Das haben Forschende der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) entdeckt. Möglicherweise liesse sich daraus ein Nahrungsergänzungsmittel entwickeln.
Der Darm ist vielleicht eines der am meisten unterschätzten Organe. Neben Verdauung und Aufnahme von Nährstoffen reguliert er auch den Wasserhaushalt des Körpers und bildet eine wichtige Schutzbarriere: Ebenso wie keine Giftstoffe oder Bakterien durch die Haut in unseren Körper gelangen, verhindert die Darmwand, dass Unerwünschtes in der Blutbahn landet.
Darmwandzellen sind durch eine Art «Kitt» miteinander verbunden: Proteine, die die Membranen benachbarter Zellen verbinden und die Zwischenräume dadurch undurchlässig machen. Diesen «Kitt» bezeichnet man auch als «Tight Junctions». Bei bestimmten Krankheiten wie Morbus Crohn oder Lebensmittelunverträglichkeiten ist diese Barriere jedoch beschädigt.
Schutz und Regeneration
Gemeinsam mit Kollegen aus Österreich und Deutschland hat das Team um Veronika Butterweck von der Hochschule für Life Sciences der FHNW entdeckt, dass sogenannte Prenylflavonoide aus Hopfen, die auch in Bier vorhanden sind, diese «Tight Junctions» stärken und sogar teils reparieren können.
Die Forschungsgruppe von Butterweck verwendete hierfür eine Art künstliche Darmwand in der Zellkulturschale: Sie säten eine menschliche Darmzelllinie auf eine poröse Membran, liessen sie zu einem dichten Zellrasen wachsen und konnten dank dieses Darmmodells die Barriere von beiden Seiten untersuchen. Die Durchlässigkeit dieser «Darmwand» testeten sie durch Messung des elektrischen Widerstands: je höher der Widerstand, desto undurchlässiger die Barriere.
Mit einem Entzündungsbotenstoff simulierten die Forschenden Erkrankungen wie Morbus Crohn und schädigten die künstliche Darmwand. Daraufhin wurde sie durchlässiger, der gemessene Widerstand nahm ab. Anschliessend testeten sie vier verschiedene Inhaltsstoffe von Hopfen, ob sie einen Einfluss auf die «Tight Junctions» haben.
Tatsächlich wurde die Barriere bei mehrtägiger Behandlung mit einem der Inhaltsstoffe wieder undurchlässiger: beim sogenannten 8-Prenylnaringinin. Der «Kitt» zwischen den Zellen regenerierte sich also. Auch liess er sich durch Vorbehandlung mit dem Hopfen-Molekül vor dem Entzündungsbotenstoff schützen, berichten Butterweck und Kollegen in einem Artikel, der kürzlich vom Fachblatt «Journal of Natural Products» zur Publikation angenommen wurde.
Flavonoide für die Darmwand
«Es gab bereits aus verschiedenen früheren Studien Hinweise, dass Flavonoide sich positiv auf die ‚Tight Junctions‘ auswirken», erklärte Butterweck im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Bekannt sei dieser Effekt beispielsweise schon bei dem Flavonoid Kaempferol, das in Gemüse und Obst, beispielsweise in Weintrauben und Grapefruits, vorkommt.
«Nun wäre interessant, einen Vergleich der verschiedenen Pflanzeninhaltsstoffe anzustellen, wie gross der Schutzeffekt für die Darmwand ist», so Butterweck. Prenylflavonoide kämen übrigens eher in den dunklen amerikanischen Ale- und Porter-Bieren sowie auch in Pilsenern vor, weniger jedoch in Hefeweizen.
Zu vermehrtem Bierkonsum zwecks Darmschutz raten die Forschenden dennoch nicht. Denkbar wäre aber, auf Basis dieser Entdeckung ein Wellnessgetränk zu kreieren, das als Nahrungsergänzung den Darm stärkt. «Joghurts und ähnliche Produkte mit Laktobazillen, die die Darmwand stärken, gibt es zwar bereits. Aber man könnte eine Alternative auf Naturstoffbasis entwickeln», sagte die Forscherin. Eine medizinische Anwendung verfolgten sie und ihr Team jedoch nicht.