Der linksliberale südkoreanische Politiker Moon Jae In hat sich zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Er werde als Präsident «eine neue Nation aufbauen», sagte er am späten Dienstagabend (Ortszeit) vor zahlreichen Anhängern auf dem Gwanghwamun-Platz in Seoul.
Nach Auszählung von knapp 80 Prozent der abgegebenen Stimmen sei Moon der Sieg sicher, berichteten südkoreanische Sender. Der 64-Jährige lag demnach mit fast 40 Prozent der Stimmen weit vor seinen Mitbewerbern. Der konservative Hong Jun Pyo von der Freiheitspartei Koreas – der umbenannten Park-Partei Saenuri – kam auf 25,6 Prozent und der Zentrumspolitiker Ahn Cheol Soo auf 21,4 Prozent der Stimmen.
Etwa 42,5 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Beteiligung lag bei 77,2 Prozent, wie die Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf die staatliche Wahlkommission berichtete.
Strategische Bedeutung
Die Abstimmung hat grosse strategische Bedeutung für Asiens viertgrösste Volkswirtschaft. Im Präsidialsystem des Landes trifft das Staatsoberhaupt fast alle wichtigen Entscheidungen.
Es ist Moons zweiter Anlauf auf das höchste Staatsamt. Der 64-jährige frühere Menschenrechtsanwalt hatte bei der Präsidentenwahl im Dezember 2012 gegen Park verloren. Moon hatte bei den Umfragen zur Wahl bis zuletzt vorne gelegen.
Die Neuwahlen waren notwendig geworden, nachdem Park wegen eines Korruptionsskandals ihres Amtes enthoben worden war. Die Affäre hatte in Südkorea hohe Welle geschlagen und zu Protesten hunderttausender Menschen geführt. Beobachter hatten wegen der Affäre mit einer Abstrafung der konservativen Regierungspartei gerechnet.
«Ich spüre den starken Willen des Volkes, die Regierung zu ändern», sagte Moon am Dienstag bei der Stimmabgabe im Beisein seiner Frau im Westen von Seoul. Moon ist der Sohn nordkoreanischer Flüchtlinge und ein ehemaliger Menschenrechtsanwalt, der einst wegen Protests gegen die Diktatur von Parks Vater Park Chung Hee in Haft sass.
Mögliche Kursänderung
Sein Wahlsieg könnte nun eine Kursänderung Seouls sowohl gegenüber Nordkorea als auch den USA zur Folge haben. Moon befürwortet einen Dialog mit dem Nachbarn im Norden, dessen Führung in Pjöngjang ungeachtet internationaler Kritik ihr Atom- und Raketenprogramm vorantreibt. Der Politiker der Demokratischen Partei befürwortet aber auch Sanktionen gegen den Norden.
Formal befinden sich Süd- und Nordkorea noch immer im Kriegszustand, weil nach dem Koreakrieg der Jahre 1950 bis 1953 kein Friedensvertrag geschlossen wurde.
Moon erklärte, dass er zu einem Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un bereit sei und sprach sich für eine mögliche Wiedereröffnung des Industrieparks Kaesong im Grenzgebiet zwischen beiden Ländern aus.
Südkorea hatte den Industriepark im Februar 2016 aufgegeben, nachdem Nordkorea eine Langstreckenrakete gestartet hatte. Der Kaesong-Komplex war für das aussenpolitisch isolierte Nordkorea eine wichtige Devisenquelle.
Für eigenständige Diplomatie
Moon punktet vor allem bei jungen Wählern. Er will zudem die Position Südkoreas in der Diplomatie stärken, wie er am Dienstag in einem YouTube-Video erklärte. Moon plädiert für eine grössere Unabhängigkeit von den USA, die mit zehntausenden in Südkorea stationierten Soldaten zu den engsten Verbündeten des Landes zählen.
Sein Land dürfe nicht länger tatenlos zusehen, wie die USA und China die zentralen Gespräche dominierten. Zudem will er in seiner Heimat einflussreiche Konglomerate wie Samsung und Hyundai reformieren.
Im Wahlkampf dominiert hatten aber mehr noch als das Thema Sicherheit vor allem wirtschaftspolitische Fragen. Die Arbeitslosenquote bei den unter Dreissigjährigen stieg zuletzt auf zehn Prozent.
Der Skandal um Ex-Staatschefin Park schürte zudem bei vielen Südkoreanern Unmut über wachsende Ungleichheit und korrupte Beziehungsgeflechte zwischen den Eliten und den mächtigen Grosskonzernen des Landes.
Der neue Präsident soll bereits am Mittwoch ohne die übliche zweimonatige Übergangszeit die Amtsgeschäfte aufnehmen.