Der Prozess gegen die Mutter der 2007 in Horgen getöteten Zwillinge muss wiederholt werden. Das Zürcher Kassationsgericht hat eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid des Geschworenengerichts gutgeheissen. Die Frau sei ungenügend verteidigt worden.
Das Geschworenengericht hatte die heute 38-jährige Frau im März 2010 schuldig erklärt, in der Nacht auf Heiligabend 2007 in der Familienwohnung in Horgen ihre siebenjährigen Zwillinge in deren Betten erstickt zu haben. Sie wurde deshalb wegen mehrfachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Verurteilte, die stets jegliche Schuld von sich gewiesen und ihren damaligen Ehemann der Tat bezichtigt hatte, akzeptierte den Schuldspruch nicht. Einen Monat nach dem Urteil wechselte sie den Anwalt, der in einer Beschwerde ans Kassationsgericht die Aufhebung des Urteils verlangte.
Zum einen bemängelte er die ungenügende Verteidigung seiner Mandantin durch die damalige Pflichtverteidigerin. Zudem habe sich das Geschworenengericht auf ein psychiatrisches Gutachten gestützt, obwohl der Gutachter befangen gewesen sei.
Auf die Beschwerde wegen Befangenheit trat das Kassationsgericht nicht ein. Hingegen stützte es die Nichtigkeitsbeschwerde wegen ungenügender Verteidigung, wie aus dem im Internet publizierten und am Mittwoch von „Tages-Anzeiger“ und „Neue Zürcher Zeitung“ aufgegriffenen Entscheid hervorgeht.
Unsinniger Antrag
Das Kassationsgericht kam zum Schluss, dass das Plädoyer der damaligen amtlichen Verteidigerin den Anforderungen an eine genügende Verteidigung tatsächlich nicht erfüllt habe. Die Kritik richtet sich aber auch an das Geschworenengericht: Dieses habe seine richterliche Fürsorgepflicht verletzt.
Das Geschworenengericht hätte zumindest prüfen müssen, ob die Anwältin über genügend Kenntnisse für die Führung einer Strafverteidigung verfügte. Das Verhalten der Verteidigerin hatte während der Verhandlung auch beim Publikum Kopfschütteln ausgelöst.
So hatte sie neben dem Hauptantrag auf Freispruch in einem Eventualantrag einen Schuldspruch wegen mehrfachen Totschlags gefordert. Dafür beantragte sie eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren bei einer Probezeit von drei Jahren.
Zweifel an fachlicher Kompetenz
Ein solcher Antrag sei derart unsinnig, „dass er einem Verteidiger auf der Höhe seiner Aufgabe schon beim Durchlesen des Plädoyers vor dem Vortrag, spätestens aber beim Vortragen hätte aufstossen müssen“, so das Kassationsgericht. Es drängten sich deshalb „Zweifel an der fachlichen Kompetenz“ auf.
Weiter bemängelt das Gericht, dass die amtliche Verteidigerin darauf verzichtet habe, mit juristischen Argumenten die Begründung des Staatsanwaltes zu erschüttern, warum die Tat als mehrfacher Mord qualifiziert werden müsse.
Auch zur beantragten lebenslangen Freiheitsstrafe habe sie sich nicht geäussert, obwohl sie vom Gericht dazu ausdrücklich aufgefordert worden sei. Es scheine, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, neben ihrem vorbereiteten Plädoyer auf die Ausführungen des Staatsanwaltes zu reagieren.
Das Kassationsgericht hat deshalb das Urteil aufgehoben und den Entscheid an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückgewiesen. Da in der Zwischenzeit die Geschworenengerichte abgeschafft sind und die Tat in Horgen begangen wurde, wird sich das dortige Bezirksgericht damit befassen müssen.
Der Entscheid des Kassationsgerichts ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Er kann beim Bundesgericht angefochten werden.