Die russische Justiz beschuldigt den Kremlkritiker Michail Chodorkowski offiziell des Mordes. Die Ermittlungsbehörde in Moskau warf ihm am Freitag vor, 1998 die Ermordung des Bürgermeisters der sibirischen Stadt Neftejugansk organisiert zu haben.
Die Behörden in Moskau werfen dem 52-jährigen Chodorkowski auch vor, zu einer Revolution in Russland aufzurufen. Der im Exil in der Schweiz lebende Ex-Ölmanager Chodorkowski halte die Anschuldigungen «für eine Farce», sagte seine Sprecherin der Agentur Interfax. Eine Vorladung der Ermittler in Moskau hatte der frühere Besitzer des Ölkonzerns Yukos ignoriert.
Nach einem kometenhaften Aufstieg zum damals reichsten Mann Russlands in den 1990er Jahren hatte sich der Gründer des Ölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowski, mit dem Kreml überworfen. Der Kritiker von Präsident Wladimir Putin galt als Mäzen der Opposition. In zwei international als politisch kritisierten Prozessen wurde Chodorkowski 2005 und 2010 wegen Betrugs zu zehn Jahren und zehn Monaten Lagerhaft verurteilt.
Nach fast zehn Jahren Lagerhaft war Chodorkowski Ende 2013 begnadigt worden. Seit Januar 2014 lebt er in Rapperswil im Kanton St. Gallen.
Zur Fahndung ausgeschrieben
Der Fall um den erschossenen Bürgermeister Wladimir Petuchow galt eigentlich als abgeschlossen. Der Funktionär soll damals mit Chodorkowskis Yukos-Konzern im Streit um Steuerzahlungen gelegen haben. Neftejugansk galt als wichtiger Standort von Yukos.
Der Fall war im Juni überraschend wieder aufgenommen worden. Nun gebe es neue Beweise gegen Chodorkowski, sagte Wladimir Markin von der Ermittlungsbehörde. Zudem werde Chodorkowski vorgeworfen, auch 1999 einen Anschlag auf einen Manager von einem Öl-Unternehmen in Auftrag gegeben zu haben. Dabei war ein Sicherheitsmann getötet worden. Chodorkowski werde zur Fahndung ausgeschrieben, sagte Markin.
Auslieferung aus der Schweiz grundsätzlich möglich
Beim Bundesamt für Justiz (BJ) in Bern hiess es auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda, Auslieferungen von der Schweiz an Russland seien gestützt auf das Europäische Auslieferungsübereinkommen, das beide Staaten ratifiziert haben, grundsätzlich möglich.
«Gemäss Rechtsprechung kommt allerdings eine Auslieferung nur in Frage, wenn die russischen Behörden Garantien für die Einhaltung der Grundrechte abgeben», erklärte BJ-Informationschef Folco Galli. Im vorliegenden Fall würde das BJ eine Festnahme Chodorkoswkis nur auf der Grundlage eines formellen Auslieferungsersuchens mit den üblichen Garantien in Erwägung ziehen.
Internationale Fahndungsersuchen seien im Übrigen vertraulich und würden dem Amtsgeheimnis unterstehen, fügte Galli an.