Nach dem Abschuss eines russischen Militärjets bereitet die russische Regierung ein Bündel wirtschaftlicher Strafmassnahmen gegen die Türkei vor. Ausserdem rief Moskau die in der Türkei lebenden eigenen Staatsangehörigen zur Rückkehr nach Russland auf.
Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew kündigte am Donnerstag ein «System von Antworten» auf den «aggressiven Akt» an.
Die Massnahmen würden sich unter anderem auf Handel, Tourismus und Flugverkehr beziehen. Auch die Pläne für eine gemeinsame Freihandelszone und das Gaspipeline-Projekt Turkstream könnten gestoppt werden.
Der russische Regierungschef sprach von breit angelegten Strafmassnahmen, die innerhalb von zwei Tagen konkretisiert werden sollten. Dazu könne der Widerruf von gemeinsamen Wirtschaftsprojekten ebenso gehören wie die Verhängung neuer Zölle.
Ferner nannte Medwedew den Arbeitsmarkt, den Zahlungsverkehr und «humanitäre Kontakte» als mögliche Sanktionsfelder.
Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew zufolge könnten die Sanktionen auch den Bau des ersten türkischen Atomkraftwerks treffen. Das etwa 22 Milliarden Dollar schwere Projekt ist derzeit der grösste Auftrag der russischen Atomholding Rosatom.
Verschärfte Kontrollen von Lebensmitteln
Landwirtschaftsminister Alexander Tkaschjow verkündete verschärfte Kontrollen der Lebensmittelimporte, die Lebensmittelaufsicht zog nach eigenen Angaben umgehend 800 Kilogramm «gefährliche Produkte» aus dem Verkauf zurück.
Tkaschjow begründete dies mit «wiederholten Verletzungen russischer Normen durch türkische Hersteller». Er verwies dabei etwa auf «verbotene und schädliche Substanzen» sowie stark erhöhte Pestizid- und Nitratwerte.
Die russische Regierung habe die Behörde für Lebensmittelsicherheit deshalb aufgefordert, die Kontrollen über landwirtschaftliche Produkte aus der Türkei zu verschärfen. Ausserdem seien zusätzliche Überprüfungen an der Grenze und an Produktionsstätten in der Türkei geplant. Von den Massnahmen könnten 15 Prozent der landwirtschaftlichen Importprodukte in Russland betroffen sein.
Putin immer noch empört
Trotz internationaler Bemühungen um eine Entschärfung der Spannungen zeigte sich der russische Präsident Wladimir Putin erneut empört über den Abschuss des Militärjets durch die Türkei. «Wir haben noch immer keine klare Entschuldigung von der türkischen Führung erhalten», sagte Putin laut einem Fernsehbericht.
Auch gebe es «keine Zusage, die für das Verbrechen Verantwortlichen zu bestrafen». Am Dienstag hatte Putin den Abschuss als «Dolchstoss» bezeichnet, der von «Verbündeten von Terroristen» ausgeführt worden sei.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wies Putins Forderung nach einer Entschuldigung scharf zurück. «Ich denke, wenn es eine Seite gibt, die sich entschuldigen muss, dann sind das nicht wir», sagte Erdogan in einem am Donnerstag bereitgestellten Interview mit dem Sender CNN International. «Die, die unseren Luftraum verletzt haben, sind diejenigen, die sich entschuldigen müssen.»
US-Aussenminister John Kerry rief in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zur Deeskalation auf. Nach Angaben des US-Aussenministeriums forderte Kerry in dem Gespräch am Mittwoch einen «Dialog» zwischen Moskau und Ankara.
Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich zuvor in einem Telefongespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu für Entspannung eingesetzt.
Türkische F-16-Kampfflugzeuge hatten am Dienstag einen russischen Bomber vom Typ Su-24 im türkisch-syrischen Grenzgebiet abgeschossen, weil das Flugzeug nach Angaben der türkischen Armee trotz wiederholter Warnungen in den türkischen Luftraum eingedrungen war. Das russische Verteidigungsministerium erklärte dagegen, die Su-24 sei über syrischem Gebiet geflogen.