Nach dem Abschuss eines syrischen Kampfjets durch ein US-Flugzeug verschärft sich der Ton zwischen Russland und den USA. Moskau kündigte an, den Kommunikationskanal zwischen russischem und amerikanischem Militär zur Vermeidung von Zwischenfällen über Syrien zu kappen.
Stattdessen werde das russische Militär Flugzeuge und Drohnen der US-geführten Koalition als potenzielle Ziele ins Visier nehmen, wenn sie westlich des Flusses Euphrat fliegen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Montag mit.
Der russische Vizeaussenminister Sergej Rjabkow verurteilte den Abschuss als «Akt der Aggression». Die US-Kommandoführung müsse den Vorfall «sorgfältig» untersuchen, forderte das russische Verteidigungsministerium.
Der syrische Jagdbomber vom Typ Suchoi Su-22 war am Sonntag bei Gefechten um die IS-Hochburg Al-Rakka in Nordsyrien getroffen worden. Das Flugzeug habe zuvor Bomben in der Nähe von Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) abgeworfen, teilte das US-Militär mit.
Washington um Entspannung bemüht
Der Sprecher des Weissen Hauses, Sean Spicer, war um eine Entspannung der Situation bemüht. Man arbeite daran, die Kommunikation mit Russland aufrecht zu erhalten, sagte er in Washington. Eine Eskalation der Situation helfe niemandem. Spicer fügte aber auch hinzu, dass sich die USA das Recht zur Selbstverteidigung vorbehielten.
Ein Sprecher der US-geführten Koalition sagte, das Bündnis werde seine Einsätze gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien fortsetzen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Sicherheit der Flugbesatzungen nicht gefährdet sei. Man habe «vorsichtige Massnahmen» getroffen, um die Flugzeuge im syrischen Luftraum neu zu positionieren.
Die kurdisch geführten SDF sind mit der internationalen Koalition verbündet, die in Syrien und dem Irak gegen die sunnitischen Fanatiker vom so genannten Islamische Staat (IS) kämpft.
Nach syrischen Angaben hatte die Su-22 nur IS-Stellungen angegriffen. Der Abschuss des Jets sei ein Akt der «Aggression», teilten die syrischen Streitkräfte mit. Moskau unterstützt in Syrien die Führung von Präsident Baschar al-Assad.
Mehrere Vorfälle
In den vergangenen Wochen hatte das US-Militär im Südosten Syriens mehrmals regierungsnahe Milizen angegriffen. Das Pentagon begründete das damit, dass diese eine Gefahr für US-Soldaten und verbündete Kämpfer dargestellt hätten. Alle drei Vorfälle ereigneten sich nahe Al-Tanf, wo rund 150 US-Soldaten oppositionelle Kräfte im Kampf gegen die IS-Terrormiliz ausbilden.
Manche Beobachter fürchten, dass die USA schleichend tiefer in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen werden und es zu einem direkten militärischen Konflikt mit den Truppen von Assad kommen könnte.
Bereits im April hatte Russland die Sicherheits-Vereinbarung mit den USA ausgesetzt. Damals reagierte der Kreml auf einen US-Raketenangriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt. Trotz der russischen Ankündigung wurde jedoch weiter über die so genannte Sicherheits-Hotline kommuniziert.
Kurdische Truppen drohen
Die SDF drohte der Regierung in Damaskus derweil. «Wir betonen, dass die andauernden Attacken des Regimes auf unsere Stellungen in der Provinz Al-Rakka uns zur Vergeltung und zu unserem Recht zur Selbstverteidigung zwingen werden», sagte Sprecher Talal Silo in einer Stellungnahme Die Angriffe zielten darauf, den Sturm auf die IS-Hochburg Al-Rakka zu stoppen.
Die steigenden Spannungen könnten auch Einfluss die für den 10. Juli angesetzten Friedensgespräche in der kasachischen Hauptstadt Astana haben. Zu diesen werde auch der UNO-Sondergesandte Staffan de Mistura erwartet, sagte der russische Aussenminister Sergej Lawrow der Agentur Tass zufolge am Montag in Peking.
Iran greift ein
Auch das militärische Einschreiten des Iran verkomplizierte die Lage weiter. Das Land griff nach eigenen Angaben erstmals Stellungen der IS-Miliz in Syrien mit Raketen an. Nach Angaben des iranischen Staatsfernsehens wurde dabei auch der IS-Kommandant Saad al-Hosseini getötet, der als Abu Saad bekannt ist.
Den Revolutionsgarden zufolge war der Angriff eine «Vergeltung» für Attentate im Zentrum Teherans am 7. Juni. Bei den Angriffen auf das iranische Parlament und das Mausoleum von Ayatollah Khomeini waren 17 Menschen getötet worden. Der IS beanspruchte die Angriffe für sich.
Der überwiegend schiitische Iran unterstützt im Syrien-Konflikt Präsident Assad gegen die radikal-sunnitische IS-Terrormiliz. Es war das erste Mal seit dem Krieg gegen den Irak von rund 30 Jahren, dass der Iran Raketen auf Ziele im Ausland abfeuerte. Die iranische Armee erklärte, die Verteidigung beschränke sich angesichts der Bedrohung «durch Terroristen und andere Feinde» nicht mehr auf die Grenzen des Landes.